Jane True 02 - Meeresblitzen
hatte Unmengen von Energie verschwendet, allein um die Grundlagen zu lernen. Also war ich zwischendurch auch noch zu einem Bad gekommen, und die Erfahrung, im Charles River herumzuplanschen, war toll gewesen. Okay, auch ein bisschen eklig, weil es ein Fluss in der Stadt war, aber das Wasser hatte seine eigene, ganz charakteristische Kraft, die sich ganz anders anfühlte als die aus dem Meer. Ein wohliger Schauder überkam mich, als ich daran dachte, wie der Fluss zu mir gesprochen hatte, von der Erde, den Menschen, den Booten, den Ruderblättern und seinem mäandernden Weg …
»Zu fest?«, fragte Anyan und fuhr mit seinem Finger zwischen den Strick und meine Fußgelenke, um ihn ein wenig zu lockern. Wieder überkam mich ein wohliger Schauder, aber ich sagte mir, dass es noch immer der Fluss war, dessen Echo durch meinen Körper hallte und mir von all den Orten erzählte, die er schon besucht hatte.
»Nein, ist okay.«
Der Barghest lächelte mich an, fast entschuldigend. »Gut. Und keine Hände.«
Ich nickte und ging in mich, um meine Kraft zu finden und den Knoten an meinen Fesseln zu bearbeiten. Diesmal war es ein anderer Knoten, stellte ich fest. In Rockabill hatte ich mich im Segeln versucht und wusste daher, dass es
viele verschiedene Knoten gab. Dieser hier war ein ziemlich raffinierter, und es würde mir nicht so leicht gelingen, mich hindurchzuquetschen, wie bei den anderen. Ich öffnete die Augen und warf Anyan einen missbilligenden Blick zu. Er zuckte kaum merklich mit den Schultern, als wolle er mir sagen, dass ich mich schon mal daran gewöhnen könne. Ich fühlte mich schrecklich und machte mich seufzend wieder an die Arbeit.
Es war schwierig, denn meine Beine kamen mir weiter entfernt vor als meine Hände. Das zusammen mit einem Knoten, den ich eher aufziehen als nur daran herumstochern musste, führte dazu, dass ich ziemlich lange am Boden hockte, bevor ich mich schließlich befreien konnte.
Anyan nahm erneut den Strick und wollte mich wieder fesseln, aber ich hielt ihn zurück.
»Mein Hintern ist schon ganz gefroren. Oder eingeschlafen. Das nächste Mal, wenn du mich in deine Sadomaso-Fantasien mit reinziehen willst, kannst du dann wenigstens einen Stuhl mitbringen?«
Er sah mich vorwurfsvoll an, zog dann aber seine Lederjacke aus und legte sie auf den Boden.
»Danke«, sagte ich und setzte mich auf die Jacke. Das machte die Sache ein bisschen besser.
»Okay, diesmal werde ich dich richtig fesseln. Wie ein Schwein.«
»Wie ein Schwein?«
»Na, weil Schweine eben so gefesselt werden. Ich sag ja nicht, dass du ein Schwein bist.«
»Können wir nicht einfach sagen, dass ich verschnürt werde? Müssen wir gleich fesselnde Schweine spielen?«
»Die Schweine sind es ja nicht, die fesseln. Ich fessle – du wirst gefesselt.«
»Weil ich das Schwein bin.«
»In dieser Übung, ja. Da bist du das Schwein.«
Murrend legte ich mich auf die Seite. Ich hatte meinen vorherigen Enthusiasmus darüber verloren, mit Anyan zu trainieren. Ich kam mir eher vor wie bei einem Workshop mit der Domina Nell. Ich streckte meine Arme und Beine vor mir aus und fühlte mich dabei weniger wie ein Schwein, sondern eher wie der letzte Arsch.
»Arme und Beine nach hinten, bitte.«
»Schweine werden nicht mit den Beinen hinter dem Rücken gefesselt«, wies ich ihn zurecht und drehte mich so, dass ich die Arme hinter den Rücken nehmen konnte, und winkelte meine Beine so an, dass sie in die Nähe meiner Hände kamen. »Sie würden sich ihre kleinen Schweineknochen brechen, wenn du das machen würdest.«
»Na ja, so mache ich das eben, wenn ich Menschen fessle«, sagte Anyan und fing an mich zu verschnüren.
»Fesselst du oft Leute?«
»Du wärst überrascht.«
Einen Augenblick dachte ich schon, wir würden flirten, aber dann fiel mir wieder ein, dass er mich gerade am eisigen Ufer des Boston University Beach fesselte. Und in solchen Situationen war Humor in Form von heiteren Neckereien nun mal bitter nötig.
»Du hast Glück, dass ich so beweglich bin, du Köter«, murrte ich leise, während er den Strick enger zog. Diesmal tat es ein bisschen weh.
»Das habe ich gehört. Und jetzt mach dich los.«
»Oh, gleich so autoritär.«
»Ja. Mach dich los.«
Ich brauchte nicht lang, um diese Knoten zu lösen. Nachdem ich einmal den Dreh raushatte, war ich ziemlich geschickt darin, mich aus den Fesseln herauszuwinden. Aber wie immer, wenn ich etwas Neues lernte, verschleuderte ich meine Kräfte, also musste ich, als
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