Jane True 02 - Meeresblitzen
sogar über den Straßenlärm hinweg hören konnte.
Ich nahm ein Falafel Dürüm und er das vegetarische Chili. Während wir aßen, beäugten wir gierig den Imbiss des anderen und tauschten schließlich wortlos, als wir beide jeweils genau die Hälfte gegessen hatten. Nachdem wir unseren Snack verputzt hatten, sahen wir uns an, blickten dann wieder zum Imbisswagen hinüber und kauften noch ein Linsenwrap, das wir uns geschwisterlich teilten. Es war köstlich und ein Fehler, zumindest was mich betraf, denn ich platzte beinahe aus den Nähten. Besonders als die Linsen und der Reis in meinem Magen aufzuquellen begannen.
Ich streckte mich stöhnend auf der Bank aus, während Ryu unseren Müll wegbrachte.
Als er zurückkam, lachte er mich aus. Er hob meine Füße, damit er sich setzen konnte, und legte sie sich auf den Schoß. Ich war überrascht von der plötzlichen Nähe; normalerweise berührten wir uns bloß, wenn er in seiner Hundeform war. Außer wenn er mich gerade trug. Oder meine zahlreichen Verletzungen heilte. Oder wenn er mir beibrachte, wie man jemandem das Knie an die Stirn rammte … Wie auch immer, wir berührten uns eigentlich nie, außer wenn seltsame Umstände es unbedingt erforderlich machten. Also brachte mich dieser beiläufige körperliche Kontakt etwas aus dem Konzept. Und wenn ich aus dem Konzept geriet, dann wandte ich immer dieselbe wohlerprobte Gegenmethode an: Ich fing an zu brabbeln wie ein Idiot.
»Warum kann ich nie rechtzeitig zu essen aufhören? Wenn ich nicht so süchtig nach Schwimmen wäre, würde ich bestimmt vierhundert Kilo wiegen. Ich wäre eine von
den Leuten, für die Jerry Springer extra eine Wand niederreißen lassen müsste, damit er mich ins Studio bekommt. Sie müssten meine Schlafzimmerwand herausbrechen und mich auf eine riesige Pritsche laden und dann auf einen Laster packen. Und all das nur, damit Jerry immer und immer wieder darauf hinweisen könnte, dass ich unglaublich fett bin …«
Anyan hörte sich meinen Wortschwall mit einem Lächeln an. Er sah so entspannt aus, dass auch ich mich wieder entspannte. Was ziemlich dämlich von uns war, denn das wäre der perfekte Moment für Conleth, uns anzugreifen. Aber ich konnte gleichzeitig Anyans Kraft spüren, die uns stark und beständig umfing. Er mochte zwar wie ein faulenzender, wenn auch etwas zu groß geratener Biker-Student aussehen, aber er war noch immer im Dienst. Also schloss ich beruhigt meine Augen und saugte die zarten Strahlen der Februarsonne auf, die auf unsere Bank fielen. Und ich bemühte mich wirklich sehr, nicht Knoblauch in die kalte Winterluft zu rülpsen.
So verharrten wir für etwa zehn Minuten, bis Anyan anfing, an den Schuhbändern meiner alten, abgelatschten Chucks herumzunesteln.
»Jane?«
»Hmm?«, nuschelte ich schläftig.
»Kann ich dich was fragen? Wenn es dir zu persönlich ist, sag mir einfach, dass ich die Klappe…«
Doch noch bevor Anyan den Satz zu Ende sprechen konnte, fühlte ich dieses seltsame Prickeln in der Luft, das schon beim letzten Mal die Urmagie des Wichtels angekündigt hatte. Meine Muskeln spannten sich an, aber bevor ich
mich aufsetzen konnte, vernahm ich einen puffenden Laut, und etwas landete schwer auf meinem Bauch.
»Uff«, stöhnte ich, als der Wichtel mich mit seinen sechs pechschwarzen Augen von oben herab beäugte. Er winkte mir mit allen seinen rechten Händen zu. Als er bemerkte, dass ich leicht grün im Gesicht wurde, wechselte er den Platz, so dass er nicht mehr Gefahr lief, einen Schwall meines Hippie-Essens abzubekommen.
»Oh, hallo«, sagte ich zu der kleinen Kreatur, die mit freundlicher Stimme zurückzwitscherte. Dann ließ sie alle ihre sechs glänzenden Knopfaugen über meinen Körper schweifen, und mindestens drei davon blieben an meinen Brüsten hängen.
Dann wandte er sich an Anyan und sagte etwas zu ihm, das die Nasenspitze des Barghests heftig zucken ließ.
Als er in der seltsamen Sprache antwortete, schwang ein Lachen in seiner sonst eher schroffen Stimme mit.
»Was hat er gesagt?«, fragte ich und blickte den Wichtel giftig an. In seinem pelzigen Gesicht machte sich ein alarmierend großes, blendend weißes Hollywoodgrinsen breit.
Doch bevor Anyan sich für den wuscheligen kleinen Perversling entschuldigen konnte, hatte der schon eine weitere Akte hervorgezaubert; diesmal eine noch dickere als beim letzten Mal.
Dann zwinkerte er mir mit allen seinen drei linken Augen zu, zwitscherte noch etwas, das die Nase des Barghest wieder
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