Jane True 02 - Meeresblitzen
war.
»Klar, wie immer … «, klinkte sich Grizzie ein und zwinkerte mir verschwörerisch zu, als sie sich mit ihrem Kaffee auf dem Platz neben mir niederließ. An diesem Tag gab es im Laden überhaupt keine Laufkundschaft, also saßen wir gegen drei alle um einen der Cafétische herum und machten ein kleines Caffè-Latte-Kränzchen.
»Linda ignoriert Jane einfach, obwohl ich gerade mit Kaffeekochen beschäftigt bin. Sie steht einfach da, klammert sich an ihr Buch und starrt über Janes Kopf hinweg, obwohl der arme Mr. Allen Linda anschaut, als wolle er sagen: ›Was soll denn das, verdammt?‹«
»Jane, völlig cool, streckt die Hand nach dem Buch aus und säuselt: ›Ich kann das übernehmen.‹ Aber Linda ignoriert sie weiter, bis es Mr. Allen reicht und er sie anblafft. Jane tippt also den Preis in die Kasse ein, und Linda macht mit ihrer dämlichen Prada-Tasche rum, mit der sie schon die ganze Zeit angibt, als hätte sie den Messias zur Welt gebracht und würde ihn darin herumtragen…«
Grizzie konnte sich einen bissigen Kommentar nicht verkneifen: »Wenn das Ding eine echte Prada ist, dann bin ich die gottverdammte Jungfrau Maria…«
Tracy lachte. »Warte, du stiehlst Jane die Show!«
»Tut mir leid, Passionsblume«, entschuldigte Grizzie sich bei ihrer Freundin. »Und sorry, Jane«, fügte sie hinzu und legte ihren Arm um mich.
»Sie wühlt also in diesem Monstrum von einer Tasche herum und sagt zu den Leuten hinter ihr – Zitat: ›Meine Prada ist einfach sooooo groß!‹« Grizzie schnaubte verächtlich, und ich konnte mir beim Anblick von Tracys Gesicht das Lachen nicht verkneifen.
»Logisch, dass Linda das sagt; sonst wäre sie ja auch nicht so eine Schnepfe«, murmelte Grizzie, worauf ich mich prompt an meinem Kaffee verschluckte. Tracy kam zur Pointe: »Irgendwann zieht sie endlich ihren Geldbeutel raus und bezahlt das Buch. Als sie ihren Krempel einpackt, sagt Jane ›Übrigens, Linda, die Leute bei Prada sind eigentlich nicht Mad in China ‹ und zeigt auf das Label in der verdammten Tasche. Auf dem stand doch tatsächlich MAD IN CHINA. Ich wäre beinahe gestorben. Und dann setzt Jane zum Todesstoß an und sagt: ›Sie sind nämlich ganz zufrieden in Italien.‹«
»Ich wusste doch, dass das Ding bloß ein billiger Fake ist!«, jubelte Grizzie triumphierend und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
»Das war echt toll! Ich hätte beinahe applaudiert.« Tracy seufzte zufrieden, bevor sie mir zunickte. »Und Jane lässt ihren Pony rauswachsen«, fügte sie hinzu.
Ich fing an nervös herumzurutschen, während Grizzie Tracy wissend angrinste.
»Unsere kleine Jane wird erwachsen«, sagte Grizz und reichte ihrer Freundin über den Tisch hinweg die Hände. »Als Nächstes ist sie wahrscheinlich schwanger und geht in Mutterschutz.«
Ich zeigte meinen besten Freundinnen zwei freundliche Mittelfinger und löste dann, weil mir die Aufmerksamkeit unangenehm war, nervös meinen Pferdeschwanz, um ihn fester zu binden. Erst als Grizzie zu fauchen begann, wurde mir klar, dass das ein Fehler war.
»Was zum Teufel hast du mit deinen Haaren gemacht?«, rief sie entsetzt. »Etwas davon… fehlt .«
Ich seufzte. Mein Körper mochte Conleths Attacke in Boston zwar unbeschadet überstanden haben, meine Frisur jedoch leider nicht. Das erste Mal, als ich mir nach dem Übergriff die Haare gekämmt hatte, war mir aufgefallen, dass die Bürstenstriche hinten irgendwie kürzer ausfielen. Ich musste es wirklich in Ordnung bringen lassen, aber ich hatte Angst, dass ein Friseur einfach alles abschneiden würde, und ich hatte immer lange Haare gehabt.
Allerdings hatte ich jetzt eine Art umgekehrten Vokuhila. Außerdem erinnerte mich meine Frisur ständig an die schreckliche Woche, die hinter mir lag. In der ersten Zeit
zurück in Rockabill hatte ich jede Minute am Tag furchtbare Angst, dass mich auf der Arbeit die Nachricht erreichte, mein Vater sei verbrannt worden, oder ich zu Hause einen Anruf bekäme, dass Grizzie und Tracy in ihren Betten abgefackelt worden waren. Ich war zwar auch nicht scharf drauf, selbst attackiert zu werden, aber noch mehr Sorgen machte ich mir um meine Familie und meine Freunde.
Nell war jedoch ständig präsent gewesen. Sie war an den unwahrscheinlichsten Orten aufgetaucht, hatte mir mit ihren kleinen Wurstfingerchen zugewinkt und mir versichert, dass sie alles im Griff hatte. Und Ryu hatte, nachdem er Anyan nicht erreichen konnte, Daoud und Caleb damit beauftragt, mich nach
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