Jane True 02 - Meeresblitzen
Ich drehte mich
um und sah, dass der Vampir mich mit einem entschlossenen Zug um den Mund anstarrte.
»Liebling«, sagte er mit vorgetäuschter Geduld. »Ich weiß, du willst es nicht hören, aber du solltest besser hierbleiben. «
Ich trat zu meinem Freund. »Warum soll ich hierbleiben? Damit splittet ihr doch bloß eure Kräfte auf, was dumm ist. Außerdem kann ich euch vielleicht helfen.«
Ryus Lächeln wurde herablassend, was mich innerlich zum Kochen brachte.
»Liebling, sei doch mal realistisch. Wie könntest du uns schon helfen?«
Okay, wenn ich ehrlich war, war das keine völlig unberechtigte Frage. Aber es lag auch nicht daran, was Ryu sagte, sondern die Art und Weise, wie er es sagte. Als ob es das Verrückteste und Absurdeste wäre, was er je gehört hatte.
Mein bereits köchelndes Blut begann zu sieden, und es kostete mich einige Mühe, meine Stimme unter Kontrolle zu halten.
»Na ja, erstens bin ich ein Halbling. Vielleicht kann ich Conleth ein bisschen besser verstehen als du…«
Ryus herablassendes Lächeln breitete sich auf seine ganze Haltung aus, und er schnaubte sogar verächtlich.
Oh nein, du Mistkerl , dachte ich noch, als mir der Kragen platzte: »Zweitens, Liebling «, zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »scheint es mir so, als könntest du Hilfe gebrauchen, nachdem du Conleth noch immer nicht erwischt hast. Vielleicht ist ein frisches Paar Augen genau das, was du jetzt brauchst. Und vielleicht solltest du mich nicht unterschätzen.«
Ryu kniff irritiert die Augen zusammen, was mich noch mehr aufbrachte.
»Jane, komm schon, wir müssen für deine Sicherheit sorgen. Mach es dir doch hier gemütlich, und bleib einfach zu Hause … «
Oh nein, das hat er jetzt nicht gesagt…
»Leider, Ryu«, sagte ich schnippisch, »ist das hier nicht mein Zuhause . Ich musste nämlich von daheim fortgehen, weil ich zur Zielscheibe wurde und das nur, weil ich dich besucht habe. Und jetzt habe ich mein Zuhause und meine Arbeit verlassen müssen, genauso wie meine Familie und meine Freunde, damit sie nicht von einem irren Feuerteufel abgemurkst werden, der mich nur dazu benutzen will, an dich heranzukommen. Also können wir bitte aufhören, so zu tun, als ginge mich das alles nichts an? Weil es mich verdammt nochmal jede Menge angeht!«
»Jane, jetzt sei nicht so selbstsüchtig. Ich muss mich konzentrieren. Da kann ich mir nicht die ganze Zeit Sorgen machen, dass dir etwas zustößt…«
»Selbstsüchtig?«, begehrte ich auf. »Ernsthaft? Wie kann es selbstsüchtig sein, dass ich dabei helfen will, den Kerl zu fassen, der mich zweimal beinahe abgefackelt hätte? Und ich kann auf mich allein aufpassen, Ryu. So unfähig bin ich auch wieder nicht.«
»Liebling, ich weiß, dass du kein Schwächling bist«, sagte er beschwichtigend, als wäre ich ein kleines Kind, das einen Trotzanfall hat, »aber Con ist sehr stark, und du bist einfach noch nicht so weit… also sei ein braves Mädchen und bleib hier.«
Mir blieb der Mund offen stehen, und aus dem Augenwinkel
sah ich, wie Camille zusammenzuckte und Julian und Caleb den Kopf schüttelten. Daoud schlug die Hände vors Gesicht.
»Braves Mädchen?«, keuchte ich aufgebracht. » Braves Mädchen ?«
Ryu starrte mich an und hatte ganz offensichtlich keinen Schimmer, warum ich plötzlich so sauer war.
»Alles klar, das war’s. Versuch mich zu treffen!«
Ryu blinzelte verständnislos.
»Ich meine es ernst, Blutsauger. Versuch mich zu treffen. «
»Jane, bitte. Ich werde dich nicht schlagen, Herrgott nochmal.«
»Ich meine ja auch nicht mit den Fäusten, Trottel. Mit deinen Kräften. Versuch mich zu treffen. Ich halte das aus. Versuch’s !«
Ryu verdrehte die Augen. »Das mache ich nicht.«
»Versuch’s!«, brüllte ich.
Ryu zuckte mit den Schultern, hob die Hand und warf widerwillig eine kleine Magiekugel nach mir. Es war die übersinnliche Version eines Federballs.
Meine Augen verengten sich, und ich starrte ihn an. Mir war klar, dass ich trotz allem, was ich in den sechsundzwanzig Jahren meines Lebens schon durchgemacht hatte, jung, klein und verletzlich wirkte. Mein ganzes Leben lang hatten mich Leute aufgrund dieser Tatsache unterschätzt, und es wäre auch etwas anderes gewesen, wenn Caleb, Daoud oder Camille mich nicht ernst genommen hätten. Aber mit ihnen vögelte ich auch nicht! Hier ging es um Ryu: den Mann, der immer wieder Panikattacken bei mir
auslöste, nur weil er andeutete, er wolle, dass ich in seinem Leben eine
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