Jane True 02 - Meeresblitzen
größere Rolle spiele. Und dass ausgerechnet er mich wie ein kleines Kind behandelte, machte mich rasend .
Also tat ich, wovon man mir tausendmal abgeraten hatte, ich griff mit all der Wut, die sich in mir angesammelt hatte, ganz tief in meine Kräftekiste. Ich erzeugte eine Wand aus Schilden, die so stark war, dass es selbst mich überraschte, und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Ich hatte noch nie bewusst eine Magiekugel gebildet, aber nun ließ ich all meine Kraft und meine Wut in gleich vier richtig üppige Magielichter fließen, die ich dann in hohem Bogen abfeuerte, so dass sie eine Lampe umstießen und Julian gezwungen war, aus dem Weg zu hechten. Dann ließ ich sie einen Moment lang ruhig in der Luft schweben. Ich schielte zu Ryu hinüber und hoffte, er merkte nicht, dass ich von der Wucht meiner Vorführung genauso schockiert war wie er.
»Wenn du mich jemals wieder als dir unebenbürtig behandelst, Ryu Baobhan Sith, dann kannst du dir eine andere Freundin suchen! Ich werde dir bei den Ermittlungen in diesem Fall helfen. Ich mag ja vielleicht im Angriff noch nicht allzu viel taugen, aber verteidigen kann ich mich sehr wohl.«
Und damit ließ ich die mit Kraft gefüllten Magiekugeln wieder zu mir zurückfliegen. Eine streifte Ryus Ohr, und er fluchte, bevor er die Hand an die getroffene Stelle legte und sich selbst heilte. Als die Lichter auf meine Schilde trafen, verpufften sie ganz harmlos. Dann ließ ich meine Abwehr fallen und starrte Ryu herausfordernd an.
»Na gut, Jane«, sagte er sichtlich verärgert. »Ich habe
keine Zeit für Spielchen. Aber bitte sei wenigstens so vernünftig und bleib immer in der Nähe von einem von uns.«
Mit diesen Worten marschierte er zur Tür. Ich erlaubte mir ein kleines, triumphierendes Lächeln, doch dann bekam ich eine Art Schwächeanfall und spürte, wie meine Knie nachgaben. Sofort war Julian an meiner Seite, stützte mich am Ellenbogen, schirmte mich dabei aber mit seinem Körper ab, damit es niemand sonst merkte.
Er grinste mich an, und ich spürte, wie pure Wasserelementarenergie in mich strömte.
»Gut gebrüllt, Löwe«, sagte er offenbar begeistert von dem, was er gerade gesehen hatte. »Das hat gerockt!«
Ich versuchte mich darüber zu freuen, aber ich war noch immer wütend, dass ich überhaupt so eine Szene hatte machen müssen. Mit einem Nicken zu Julians Hand an meinem Ellenbogen sagte ich: »Ja, und danke fürs Aufladen.«
»Kein Problem. Allein all ihre Gesichter zu sehen, als du das gemacht hast, war spitze ! Ich habe es so satt, dass alle immer annehmen, Halblinge wären schwach.«
»Na ja, ich glaube, ich habe ein bisschen überreagiert«, räumte ich ein.
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Es war goldrichtig. In unserer Gemeinschaft muss man sich beweisen. Und Stärke ist das Einzige, was respektiert wird. Du musst bloß versuchen, dich nicht von deinen Gefühlen überrumpeln zu lassen und zu viel Saft zu verbrauchen.«
Ich nickte niedergeschlagen. Verdammte Gefühle … Manchmal beneidete ich die Alfar um ihre übernatürliche Gelassenheit. Nicht zuletzt, wenn sich mein Freund wie ein totaler Schwachkopf verhielt.
»Sind die Ladys dann soweit?«, ätzte Ryu von der Haustür her und warf Julian einen bissigen Blick zu. Mein Mithalbling ließ meinen Ellenbogen los und wandte sich zu den anderen um.
»Ja, Chef«, erwiderte er, während ich es mir verkniff, Ryu den Mittelfinger zu zeigen.
Als wir dann draußen zum Auto gingen, fragte ich mich, ob ich gerade einen Vorgeschmack auf den »wahren« Ryu bekommen hatte.
Ein etwas ungutes Gefühl breitete sich in mir aus, als mir klarwurde, wie viel mehr ich meine Fantasie von ihm mochte.
Caleb parkte den Geländewagen in einer ruhigen Seitenstraße, die von leicht schäbigen Apartementhäusern gesäumt wurde. Allerlei Familienkram – halb platte Fußbälle, klapprige Picknicktische, knallbuntes Plastikspielzeug und dergleichen – häufte sich wie Strandgut auf dem Rasen der Vorgärten. Es schien mir ein seltsamer Ort für ein geheimes Labor zur Erforschung des Übersinnlichen zu sein, was ich den anderen auch mitteilte.
»Gute Tarnung, billige Mieten … «, meinte Ryu schulterzuckend. Es waren die ersten Worte, die er an mich richtete, seit wir das Haus verlassen hatten, und er wich noch immer meinem Blick aus. »Wer weiß, warum sie sich diesen Ort hier ausgesucht haben.«
An der Ecke warteten Camille und Julian bereits unter einer Straßenlaterne auf uns. Zusammen gingen wir auf
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