Jane True 02 - Meeresblitzen
großem Gesicht machte sich ein Lächeln breit, und ich musste einfach zurücklächeln, so ansteckend war es. Es verwandelte ihn völlig.
»Arme kleine Jane. Dein Leben scheint eine einzige riesige
Trittleiter zu sein. Wenn wir wieder nach Rockabill kommen, besorge ich dir Stelzen.«
Ich lachte und sah auf seine Hände hinab. Ich hatte gespürt, wie rau seine Haut dort war, auch wenn die Berührung selbst ganz sanft gewesen war. Sie waren narbig schwielig. Arbeiterhände.
Oder die Hände eines Künstlers, der so etwas wie Metallskulpturen anfertigte.
»Hast du die ganzen Sachen gemacht?«, fragte ich. »Die Kunst?«
Er nickte etwas verlegen. »Ja, das meiste davon. Das ist, was ich mache. In den Geldsachen der Menschen bin ich nicht so gut wie die anderen, also mache ich lieber das, was ich schon immer gemacht habe. Ich bleibe bei der Kunst. Glücklicherweise habe ich ein sehr gutes internationales Renommee, also verdiene ich ganz gut damit.«
»Die Sachen sind wundervoll. Besonders das im Badezimmer«, gestand ich, bevor ich mir darüber klarwerden konnte, dass das wahrscheinlich ein bisschen seltsam klang.
Er lachte, ein lauter, voller Klang, der die ganze Küche erfüllte.
»Ich wusste, dass es dir gefallen würde. Dass du verstehst, warum es da ist…«
Ich dachte darüber nach. »Es zeigt eine der Geschichten, die du mir erzählt hast, als ich im Krankenhaus war, oder?«
Er nickte. Ich beugte mich auf meinem Stuhl vor. »Und die Geschichte über den Kampfhund, der seine Leute rettete, das war eigentlich deine eigene, nicht wahr?«
Ich glaube, er wurde tatsächlich ein bisschen rot. »Ich wusste nichts anderes zu erzählen«, gab er zu.
»Es war eine gute Geschichte«, sagte ich leise zu ihm. »Ich wusste sie sehr zu schätzen.«
Seine großen Hände verkrampften sich, und er wandte sich wieder dem Herd zu, um die Linsen umzurühren.
»Also, du hast deine Leute gerettet und ein Wandbild aus Metall daraus gemacht, und dann hast du es im Badezimmer aufgehängt.«
Er zuckte zustimmend mit den Schultern.
»Sehr postmodern von dir«, sagte ich grinsend.
Er lachte leise und öffnete die Kühlschranktür.
»Ich nehme an, der zerstampfte Knoblauch war für etwas anderes gedacht?«
»Genau, den Salat. Das Rest dafür ist im Gemüsefach. Ich helfe dir.«
Ich schnitt die Tomaten und Oliven, während Anyan die Karotten rieb und den Salat wusch. Wir arbeiteten in einvernehmlichem Schweigen und brachen es nur, als ich das Dressing anrührte und er die Zutaten wissen wollte.
Ich zeigte auf die Steaks, die noch immer eingepackt bei Zimmertemperatur darauf warteten, gebraten zu werden. »Tut mir leid, wir haben bloß zwei Steaks. Aber du kannst die Hälfte von meinem haben.«
Anyan lächelte mich an. »Keine Sorge, Jane. Ich esse normalerweise kein Fleisch, außer ich habe es selbst erlegt.«
Ich sah ihn erstaunt an. »Warum?«
»Deshalb«, sagte er und piekste mit einem Finger in das Steak, das noch immer in Zellophan verpackt auf seinem Styroportellerchen lag. »Das ist irgendwie unsportlich.«
Ich schnaubte. »Du bist ein seltsamer Mann, Anyan. Oder Hund. Hundemann?«
»Barghest«, stellte er klar und stach noch einmal abschätzig in das Filet Mignon.
»Barghest«, wiederholte ich, als er mich direkt anlächelte, und plötzlich war ich froh, dass ich meine Strickjacke ausgezogen hatte. Bei all dem Kochen war es ziemlich warm in der Küche geworden.
»Was isst du dann so?«, wollte ich wissen.
»Na ja, normalerweise jage ich mir etwas. In unserer Gegend kann man hervorragend jagen. Und es gibt ein paar Leute in Rockabill und Umgebung, bei denen ich Fleisch kaufe. Aber ansonsten esse ich kein Fleisch. Abgesehen von zwei Ausnahmen, denen ich nicht widerstehen kann.«
»Und was sind das für Ausnahmen?«
»Haggis und White-Castle-Hamburger.«
»Was ist denn bitte Haggis?«
»Ein schottisches Nationalgericht, Schafsinnereien – also Herz, Leber und Lunge – mit Hafermehl und Gewürzen vermischt und im Schafsdarm gegart.«
Ich dachte kurz darüber nach. Und hatte nur eine Frage.
»Wie kannst du nur diesen White-Castle-Fraß essen?«
Er lachte. »Die Burger dort sind kleine, fettige Liebesbeweise, Jane. Also zieh nicht so über sie her.«
Mir lief ein kleiner, wohliger Schauer über den Rücken. Da ging die Wohnungstür auf.
»Honey«, rief Ryu, »ich bin zu Hause!«
Anyan und ich drehten uns zur Tür um. Dort stand Ryu und streckte mir den größten Blumenstrauß entgegen, den ich je
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