Jane True 02 - Meeresblitzen
gesehen hatte. Er starrte Anyan an. Und er sah alles andere als erfreut aus.
Ich zog meine Strickjacke wieder an.
D as Abendessen verlief ziemlich… unbehaglich , obwohl die Linsen köstlich waren. Als wir mit dem Essen fertig waren und das Geschirr abgeräumt hatten, setzten wir uns noch einmal an Ryus Esstisch und besprachen das Geschäftliche.
»Weshalb genau bist du hier, Anyan?«, erkundigte sich Ryu.
»Ich bin hergeschickt worden. Nach der Geschichte mit Jimmu habe ich beschlossen, dass ich mich nun schon zu lange rausgehalten habe. In den letzten Monaten habe ich für die Alfar gearbeitet, bin Hinweisen nachgegangen, hatte ein Auge auf die Oberen«, sagte Anyan, ohne mich anzusehen. Ich wusste, wie sehr er sein heimliches Leben in Rockabill schätzte, und ich bedauerte, dass er seine schwer erkämpfte Freiheit wieder hatte aufgeben müssen. »Bei Hofe ist etwas aufgekommen, und ich wurde geschickt, um dich zu unterstützen. Und zwar von Morrigan persönlich.«
Ryu und ich tauschten Blicke aus. »Du bist nicht der Einzige,
der uns zur Unterstützung geschickt wurde«, sagte Ryu.
»Die Alfar namens Phädra ist hier«, mischte ich mich ein. »Jarl hat sie entsandt.«
Anyan sah mich an und nickte. Er wusste, dass wir hier unser kleines Geheimnis berührten. Ryu war die Bedeutung von Jarls Beteiligung in dieser Sache nicht vollständig klar, denn er wusste nichts von Jarls Übergriff auf mich vor ein paar Monaten. Ryu war zwar klar, dass Jarls Einmischung nichts Gutes bedeuten konnte, aber nicht, wie schlimm es wirklich war. Er wusste nicht, dass Jarl mich für den Tod seines Ziehsohns verantwortlich machte; auch nicht, dass er versucht hatte, mich umzubringen, und dass es, als ihm das misslungen war, zwei Zeugen für seinen Übergriff gab. Ich hatte das Gefühl, dass Anyan und ich Ryu sehr bald die Wahrheit sagen mussten, und ich war nicht gerade scharf auf dieses Gespräch. Die beiden hatten so schon genug Alphamännchen-Querelen, ohne dass Ryu glauben musste, ich hätte Geheimnisse vor ihm. Geheimnisse, die ich mit niemand Geringerem teilte als mit dem anderen Platzhirsch.
»Ich weiß. Das ist auch ein Grund, warum ich hier bin. Aber wen hat Phädra mitgebracht?«, wollte Anyan von Ryu wissen.
»Kaya und Kaori. Fugwat. Und Graeme.«
Anyans Gesicht nahm wieder Ähnlichkeit mit dem Adler aus der Muppetshow an. »Graeme?«
Ryu nickte nur, als Anyan ihn finster anstarrte.
»Ich weiß«, erwiderte mein Freund. »Ich werde sie von ihm fernhalten.«
Mir lief ein eisiger Schauer den Rücken hinunter, wohlwissend,
dass sie von Graemes ungesundem Interesse an mir zerbrechlichem Halbling sprachen. Aber obwohl ich ein ausgesprochen unwohles Gefühl hatte, meisterte ich die Situation mit dem für mich so typischen Fingerspitzengefühl.
»Und es kommt noch schlimmer«, krähte ich. »Es könnte nämlich sein, dass es in der Grenzregion noch mehr Morde gegeben hat, von denen nicht klar ist, ob Conleth sie begangen hat oder nicht.«
»Natürlich hat Conleth sie begangen«, sagte Ryu und verdrehte dabei genervt die Augen. Ich zuckte mit den Schultern. Ich würde mit Ryu nicht über dieses Thema streiten, aber wie Dr. Silver war auch ich nicht überzeugt, dass es Con war, der für diese anderen Verbrechen verantwortlich war. Er war so ungeschickt mit dem Messer umgegangen, und außerdem hätte ich schwören können, dass er ehrlich schockiert war, als er es in meinem Handrücken stecken sah. Er war eher der Typ, der Leute in die Luft jagte, sie aus der Ferne röstete oder ihre Häuser in Brand steckte, während sie schliefen. Aber Conleth trat nicht an Menschen heran und schlitzte sie auf, zumindest bis gestern nicht.
Außerdem hatte ich keinerlei Vergnügen in seinen Augen erkennen können, als sein Messer mich traf.
»Genaugenommen«, sagte Anyan, »sind diese anderen Morde der Grund, warum ich hier bin.« Der große Mann streckte sich und setzte sich leicht seitlich auf den Stuhl, damit er seine langen Beine besser ausstrecken konnte. »Einer von Nyx’ Kumpanen ist ein Baobhan Sith, ein berühmter Chirurg sowohl in der Menschenwelt als auch in der Welt von uns Übernatürlichen. Er hatte ein Verhältnis mit einer Menschenfrau, einer Ärztin aus Chicago, die aber
die Hälfte ihrer Zeit in Boston zubrachte. Ihr Name war Brenda Donovan.«
Ryu und ich blinzelten überrascht. »Sie war auch Silvers Kontakt zu dem Unternehmen, das das Labor finanzierte«, sagte ich zu Anyan und erklärte ihm dann, wer Dr. Silver
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