Jane True 02 - Meeresblitzen
zwei Räumen: Einer davon war eine Art Empfangszimmer, wo sie sich mit Studenten zusammensetzen
konnte. In den deckenhohen Regalen an den Wänden befanden sich tonnenweise Bücher, und es gab sogar eine komplette Sitzecke mit Sofa und ledernen Lehnsesseln, die um einen wunderbaren Couchtisch mit elegant geschwungenen, klauenförmigen Tischbeinen gruppiert waren. Neben dem Empfangsraum befand sich das eigentliche Büro. Dort herrschte etwas mehr Durcheinander. Es gab zwei Tischchen, die überhäuft mit Papieren und Büchern waren, und auch in diesem Raum fehlten nicht die hoch aufragenden Bücherregale.
»Okay, schwärmt aus und seht, ob ihr etwas finden könnt, irgendetwas, das uns einen Hinweis auf Felicias und Edies Aufenthaltsort geben könnte. Ihr Leben hängt davon ab!«, sagte Ryu, und wir alle nickten feierlich.
Ich ging sofort an Edies Bücherregale. Das hatte ja schließlich in Felicias Wohnung geklappt, warum also nicht auch hier?
»Menschen und ihre Bücher«, gähnte Phädra. »So langweilig! Und eine so sinnlose Variante der Unsterblichkeit.«
Ich blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Plötzlich verabscheute ich sie aus tiefstem Herzen. Sie war also nicht nur bösartig und absolut widerlich, sondern sie mochte auch keine Bücher .
»Natürlich nicht«, entfuhr es mir aus Versehen.
»Was sagst du, Halbling?«, zischte Phädra, und ihre Stimme klang scharf in meinen Ohren.
»Natürlich liest du nicht«, wiederholte ich meinen Gedanken und schenkte ihr dabei ein süßliches Lächeln, um sie noch mehr aus dem Konzept zu bringen.
»Warum sollte ich auch? Ich bin nicht an Einblicken in
die menschliche Seele interessiert. Mir ist völlig gleichgültig, wie sie mit ihren psychischen Problemen umgehen, ihre Vergangenheit bewältigen oder ihr Leben gestalten. Die menschliche Literatur ist doch nichts weiter als der Fehlerkatalog einer schamlosen Spezies, die bloß auf dieser Welt ist, um denen, die ihnen überlegen sind, zu dienen und sie zu erhalten…«
Phädra verstummte, als sie bemerkte, dass ich ihr überhaupt nicht mehr zuhörte. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Julian zu beobachten, der so aussah, als habe er entweder etwas gefunden oder bekäme gleich irgendeinen Anfall.
»Vergangenheit«, sagte er und starrte Phädra an. »Der Verlauf eines menschlichen Lebens… Edie Thompson ist Edies Ehename «, rief Julian in die Runde und strahlte mich an.
»Natürlich!«, rief ich atemlos, als ich gedanklich zusammensetzte, was er da gerade erkannt hatte.
»Was bitte?«, fragte Ryu, der noch einen übernatürlichen Schritt hinterherhinkte. In seiner Welt heiratete man nicht, also gab es auch keine Ehenamen. Natürlich kannte er die menschlichen Traditionen, aber er begriff nicht sofort, was Julian damit sagen wollte. Ich war verdammt überrascht, dass Julian es wusste, aber ich vermute, die Faszination, die für ihn von seiner menschlichen Seite ausging, reichte so weit, dass er sich sogar mit unseren Heiratsgepflogenheiten auseinandergesetzt hatte.
»Ich habe es gelesen, als ich über Edie recherchierte, aber es hat nicht gleich klick gemacht«, erklärte er Ryu aufgeregt. »Es gibt nur sehr wenig Biografisches über sie;
sie schirmt ihr Privatleben ab. Aber ich habe gelesen, dass sie im Berufsleben ihren Ehenamen verwendet. Sie war nur zwei Jahre verheiratet, mit so einem Arschloch, das sie geschlagen hat, aber in dieser Zeit veröffentlichte sie ihr erstes Buch. Also war sie beruflich gesehen auf den Namen Thompson festgelegt. Das ist im Übrigen ein Grund, warum ich es bescheuert finde, dass bei den Menschen die Frauen ihren Namen ändern, aber das ist jetzt nebensächlich…«
Alle starrten Julian gespannt an, bis er wieder zum Punkt kam. »Wie dem auch sei, ich habe sie noch nicht unter ihrem Mädchennamen gecheckt. Wie auch immer der lautet. «
Inspiriert von meinem Mithalbling sah ich mich in dem Büro um, bis ich entdeckte, wonach ich suchte. Ein uraltes Synonymwörterbuch, das schon vor ewigen Zeiten publiziert worden sein musste, stand neben einem ähnlich betagten Lexikon in der hintersten Ecke von Edies Regal.
Bingo! Jeder Lehrer, den ich je gekannt hatte, besaß so etwas: das obligatorische Lexikon/Synonymwörterbuch-Paket, das man zum Schulabschluss bekam.
»Ich bin sicher, wir könnten es auch online herausfinden, aber wo wir schon einmal hier sind…«, sagte ich und schlug eines der Bücher ganz vorn auf, wo man in einem Buch normalerweise seinen Namen
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