Jane True 02 - Meeresblitzen
vermerkte.
Grinsend hielt ich das Buch hoch, damit alle es sehen konnten.
»Edie ist nicht nur Felicias Doktormutter. Sie ist ihre Tante.«
Ich legte das Buch wieder weg, damit Julian und ich uns abklatschen konnten, bevor er sich wieder seinem Laptop
zuwandte. Die anderen blickten alle noch immer ziemlich verwirrt drein, aber sie ließen uns gewähren.
»Gute Arbeit, Julian, Jane«, sagte Ryu. »Und die anderen… ihr sucht weiter. Stellt sicher, dass wir auch wirklich alles, was hier von Belang ist, gefunden haben. So lange die beiden Frauen verschwunden sind, sind sie in Gefahr.«
Während Julian in seinen Computer hackte, schwärmten wir anderen wieder aus, und Phädra flüsterte ihren Harpyien etwas ins Ohr. Ich stellte das Synonymwörterbuch dorthin zurück, wo ich es gefunden hatte.
Ryu hatte Recht. Ein echter Erfolg wäre es erst, wenn wir die beiden lebend gefunden hätten.
Bis dahin hatten wir noch jede Menge zu tun.
Julian hatte seine Internetrecherche zwar noch nicht beendet, aber wir waren mit dem Durchsuchen des Büros soweit fertig. Also rückten wir wieder alles zurecht und verschlossen die Tür, bevor wir zurück nach unten eilten. Wir brauchten alle einen Kaffee, und wir wollten Julian genügend Zeit für seine Arbeit geben.
Also nahmen wir ein paar Tische auf der erhöhten Terrasse des Au Bon Pain gegenüber vom Harvard Yard direkt neben der Trambahnhaltestelle am Pit in Beschlag und starteten dort in den Abend. Daoud brachte mir etwas Süßes und Cremiges und Leckeres, das ich wegschlürfte wie ein kleines Kind seine Limo. Obwohl ich wusste, dass wir noch immer einen Schritt hinterherhinkten, fühlte ich mich durch das Koffein und den Zucker sofort besser. Und auch der schöne Abend tat sein Übriges. Die Nachtluft war frisch und kalt, aber die erhöhte Terrasse des Cafés war überraschend
voll. Unter uns saßen warm eingepackte Schachspieler an den Steintischen jenseits des schmiedeeisernen Zauns, der unsere Terrasse umgab, auch zu dieser fortgeschrittenen Stunde über ihre Spiele gebeugt. Einige junge Pärchen, vermutlich alles Harvardianer, eingemummt in ihre Studentenklamotten bestehend aus bescheuerten Strickmützen, Daunenjacken, Eskimostiefeln und den obligatorischen Jeans. Außerdem sah man einige ziemlich fröstelnd aussehende europäische Jungs, die für das kalte Wetter etwas dürftig gekleidet waren, mit dünnen Lederjacken, Button-Down-Hemden und glänzenden Hosen. Aber sie rauchten beharrlich ihre filterlosen Zigaretten und plauderten in ihren verschiedenartigen, melodischen Muttersprachen.
Der dicke Rauch ihres schwarzen Tabaks waberte hinauf in die nackten Äste der Bäume, die aus Löchern im Asphalt wuchsen. Ich sog die kalte, rauchige Luft tief ein und seufzte glücklich. Ich würde noch glücklicher sein, wenn wir Edie erst gefunden hätten, aber immerhin.
Ich sah Julian bei seiner Recherche zu, das fahle Licht seines Laptops spiegelte sich in seinen Brillengläsern. Dann sah ich zu Phädra hinüber und versuchte nicht loszukichern.
Die winzige Frau saß ziemlich unbequem an der Kante ihres Stuhls und starrte die Menschen um sie herum böse an. Sie hatte ein Getränk abgelehnt, als würden wir sie vergiften wollen.
Keine schlechte Idee, dachte ich und sah zu, wie sie die noch verbleibende Harpyie anfuhr. Kaya – oder Kaori – war weggeflogen, nachdem wir Edies Büro verlassen hatten, so dass nur noch Kaori – oder Kaya – zurückblieb, um ihrer
Herrin den Rücken zu decken. Die Harpyie schlürfte an einem Kaffee, achtete aber darauf, sich ihren Genuss nicht anmerken zu lassen, solange Phädra sie im Blick hatte. Aber sobald die Alfar wegsah, trank sie gierig aus der Tasse, bevor sie wieder ihr stoisches Gesicht aufsetzte, um auch ja nicht dabei erwischt zu werden, dass sie Spaß hatte. Die Harpyie tat mir fast ein bisschen leid.
Aber nur fast.
Ich stand auf, was Ryu dazu veranlasste, mich fragend anzuschauen.
»Ich geh nur mal schnell auf die Toilette, Babe«, sagte ich.
»Soll ich mitgehen?«
Ich lachte. »Nein, ich komme schon klar. Halt du lieber hier die Stellung.«
Ryu lächelte und wandte sich wieder an Camille, mit der er sich gerade unterhielt.
Drinnen musste ich in einer unglaublich langen Schlange warten, um einen bescheuerten Chip zu bekommen, mit dem sich die Toilette aufschließen ließ. Es dauerte ewig, und als ich schließlich fertig war, war die Schlange am Eingang noch immer genauso lang wie vorher. Also verließ ich das Café auf der
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