Januarfluss
sage mir, dass es bestimmt hilft, und beiÃe die Zähne zusammen. Oder war der Weinbrand vielleicht dafür gedacht, dass ich ihn in Situationen wie dieser trinke? Hilft das Zeug gegen Schmerzen? Ich schnuppere an der Flasche und verziehe das Gesicht von dem scharfen Geruch. Ach, was sollâs? Ich halte die Luft an und nehme einen groÃen Schluck.
Erst schüttelt es mich von dem grauenhaften Geschmack. Dann rinnt es mir heià die Kehle hinab, und auf einmal habe ich das Gefühl, innerlich in Flammen zu stehen. Mein Magen, meine Kehle, mein Gaumenâ es ist, als hätte ich glühende Kohlen verschluckt. Allerdings lässt diese unangenehme Wirkung schon sehr bald nach und wird von einem fremdartigen Gefühl abgelöst, einer Mischung aus Taubheit und Wärme. Gar nicht so übel. Ich nehme einen weiteren Schluck, der diesmal, da ich vorgewarnt bin, viel leichter zu trinken ist, und dann noch einenâ¦
Eine leichte Benommenheit überkommt mich. Ich strecke mich auf dem Bett aus und nehme das Buch, in dem ich erst wenige Seiten gelesen habe. Aber die Buchstaben tanzen vor meinen Augen und der Sinn der Sätze erschlieÃt sich mir nicht. AuÃerdem ist mir ein wenig flau. Am besten schlieÃe ich einfach kurz die Lider.
Es war ja auch ein langer, ereignisreicher Tag.
Dann werde ich von meinen Träumen fortgetragen und emporgehoben, wie in einem Kettenkarussell, immer schneller, immer höher, immer wilder, bis mir schwindelig wird und ich falle, falle, falleâ¦
8
Wenn mein erster Rausch schon keine allzu schöne Erfahrung war, so ist mein erster Kater verheerend. Ich fühle mich entsetzlich. Mein Kopf pocht, als säÃe jemand darin und würde einen Hammer schwingen. Mein Gaumen ist ausgetrocknet, aber meinen Durst löschen kann ich nicht, denn mein Magen rebelliert sogar gegen Wasser. Das Wenige, was ich am Vorabend zu mir genommen habe, nämlich die Kekse von Alice, ist in äuÃerst unappetitlicher Form wieder oben herausgekommen und im Nachttopf gelandet. Wenigstens dafür ist das Ding gut.
Es dauert Stunden, bis ich mich halbwegs aufrappeln und mich anziehen kann. Schade, dass ich in einem so fürchterlichen Zustand bin und es gar nicht richtig genieÃen kann, endlich wieder saubere Kleider zu tragen.
Das Schmutzwasser in der Waschschüssel, das noch von meinem FuÃbad stammt, kippe ich in hohem Bogen aus dem Fenster, nachdem ich überprüft habe, dass niemand dort unten steht. Mit einem Zipfel von dem ohnehin schon verdreckten Hemd des Stallburschen wische ich den schwarzen Rand von der Schüssel ab und gebe den letzten Rest Wasser aus dem Krug hinein. Mit beiden Händen schöpfe ich Wasser und tauche mein Gesicht hinein. Meine Augen sind verquollen, meine Haut sieht leicht teigig aus. Oder bilde ich mir das nur ein? So katastrophal dürften die Auswirkungen des Alkoholgenusses auch wieder nicht sein, oder?
Ein wenig erfrischt und etwas fester auf den Beinen mache ich mich auf den Weg nach unten. Es macht mir nichts aus, das Frühstück versäumt zu haben, denn im Augenblick würde ich ohnehin keinen Bissen hinunterbekommen. Aber ein Kaffee würde mir guttun. Ich sehe und höre nichts von Dona Eufrásia, was mich mit Erleichterung erfüllt, denn wenn sie auÃer Haus ist, bekomme ich sicher eine Tasse von Vovó, ohne dafür zahlen zu müssen.
Die alte Sklavin macht sich in der Küche zu schaffen. Als sie mich sieht, setzt sie gleich das Kaffeewasser sowie Milch auf und schenkt mir ein zahnloses Lächeln.
» Danke, Vovó. Du musst Gedanken lesen können. «
Kurz darauf nimmt sie die Milch von Herd und brüht den Kaffee auf. Sie gibt drei Löffel Zucker in eine Tasse, gieÃt Milch und Kaffee im genau richtigen Verhältnis dazu und reicht mir das Getränk. Dankbar trinke ich meinen café com leite, der fast so gut schmeckt wie zu Hause.
» Er ist perfekt « , lobe ich Vovó.
» Wer ist perfekt? « , vernehme ich da die Stimme Adalbertos, der in der Küchentür steht.
» Guten Morgen, Senhor Adalberto « , begrüÃe ich ihn höflich.
» Danke, danke. Auch Ihnen einen wunderschönen guten Morgen, liebe Senhorita Iolanda. « Der Mann ist wie ausgewechselt, wenn seine Mutter nicht in der Nähe ist. Mir drängt sich das Bild von ihm auf, wie er neulich in der Pfütze auf dem Boden gehockt hat. Wie ein Häufchen Elend sah er aus, doch auch davon
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