Januarfluss
ist jetzt nichts mehr zu bemerken. Er wirkt gefasst, freundlich, normal.
» Der Kaffee ist perfekt. Vovó war so freundlich, mir eine Tasse anzubieten, die ich natürlich Ihrer Frau Mama bezahlen werde. «
» Um Gottes willen, unterstehen Sie sich! « Er zwinkert mir zu und sagt jovial: » Wir müssen sie ja nicht davon in Kenntnis setzen, nicht wahr? «
Mir wird schon wieder übel. Dieses komplizenhafte Gehabe behagt mir gar nicht. Ich will keine Geheimnisse mit diesem Scheusal teilen. Er will sich doch nur bei mir lieb Kind machen, vermutlich um mich seinen peinlichen Auftritt von vorgestern vergessen zu lassen.
Ich gehe auf seine platten Bestechungsversuche überhaupt nicht ein, sondern trinke hastig meinen Kaffee aus. » Ich muss los. Einen schönen Tag noch. « Und schon bin ich weg.
DrauÃen brennt mir die gnadenlose Januarsonne auf den Pelz. Es muss schon nach zehn sein, nach ihrem Stand zu urteilen. Meinem verkaterten Kopf bekommt diese Hitze gar nicht gut. Was ich jetzt gebrauchen könnte, wäre ein erfrischendes Bad im See, anschlieÃend ein Schläfchen im Schatten der Bäume, wo der Wind um mein nasses Haar streichen und meinen Kopf kühlen würde⦠Ach, Tagträume! Ich muss der Realität ins Auge sehen.
Bei einem Zeitungsjungen kaufe ich die zweite groÃe Zeitung Rios, die andere liegt ja bestimmt in Dona Eufrásias Salon, wo ich sie mir später schnappen kann. Und nun? Ich glaube, ich ertrage es nicht länger, müÃig durch die StraÃen zu laufen, lustlos, kraftlos und ohne Ziel. Also begebe ich mich wieder in mein selbst gewähltes Gefängnis.
Die Zimmerwirtin begrüÃt mich mit der launigen Bemerkung: » Ah, das junge Fräulein hat sich neu eingekleidet, wie ich sehe. «
» Ja, Dona Eufrásia, so ist es. « Ich gehe zum Tisch und schnappe mir die Zeitung, die darauf liegt. » Ich darf doch, oder? «
Bevor sie mir die Bitte verwehren kann, bin ich fort.
In meinem Zimmer ist Vovó gerade damit beschäftigt, sauber zu machen. Vor der Tür liegt das verdreckte Handtuch, auÃerdem stehen da der Wasserkrug, damit sie ihn auffüllen kann, sowie der Nachttopf mit seinem übel riechenden Inhalt. Ich schäme mich fast zu Tode. Merkwürdig, auf Ãguas Calmas hat es mir nie etwas ausgemacht, wenn die Dienstboten so erniedrigende Arbeiten ausgeführt und dabei Einblick in meine intimsten Verrichtungen erhalten haben. Jetzt aber stört es mich. Ich will nicht, dass die arme Alte mein Erbrochenes entsorgt, genauso wenig wie ich möchte, dass sie meine Leibwäsche oder garâ Herr bewahre!â meine Monatsbinden wäscht. Zum Glück dauert es noch gute zwei Wochen, bis ich mir über dieses Problem den Kopf zerbrechen muss.
Zu Hause hatte ich derartige Bedenken nie. Da habe ich einfach meine Schmutzwäsche in einen Korb geworfen und wie durch Zauberei lag am nächsten Tag wieder alles sauber und gebügelt in meinem Schrank. Dasselbe galt für die Stofflappen, die wir Frauen einmal im Monat brauchen. Ich habe die blutigen Dinger einfach in den Wäschekorb getan und mir nie Gedanken darüber gemacht, wer die schreckliche Aufgabe hatte, sie zu waschen. Hinter dem Waschhaus gibt es auf Ãguas Calmas eine Wiese, auf der die Wäscheleinen gespannt sind, und obwohl ich dort nichts verloren hatte, kam ich manchmal vorbei und sah unsere Wäsche im Wind flattern, einschlieÃlich der gebleichten, makellos weiÃen Binden. Es war mir nicht im Geringsten peinlich, es hätten auch unschuldige Babywindeln sein können, die dort in der Sonne trockneten.
Vovó deutet auf die Cognacflasche, die zur Hälfte geleert ist, und macht dabei schimpfende Gesten.
» Ja « , sage ich zerknirscht, » es ist Teufelszeug. Jetzt weià ich das auch. Aber nicht dass du glaubst, ich hätte das alles getrunken. Ein Teil des Weinbrands musste zur Desinfektion meiner Wunden herhalten. «
Die Alte grinst, dann widmet sie sich wieder dem Besen, mit dem sie in gebückter Haltung mein Zimmer fegt. Ich setze mich aufs Bett und blättere in den Zeitungen. Als Vovó vor dem Bett kehrt, hebe ich nur kurz die FüÃe an und tue so, als sei meine Lektüre ungeheuer spannend. Das ist sie aber nicht. Im Gegenteil, es langweilt mich zutiefst, über Dinge zu lesen, von denen ich nichts verstehe. Politik, Wirtschaft, Kulturâ nichts davon vermag mich zu fesseln. Einzig ein
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