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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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weiß dann schon Bescheid. «
    Â» Wenn du meinst… «
    Ich erwidere darauf nichts mehr, sondern renne bereits los.
    Mein Gepäck besteht diesmal aus nichts als meinem nackten Leben.

20
    Es muss bereits nach sieben Uhr am Abend sein, die Sonne geht gerade unter und der Himmel verfärbt sich glühend rot. Ich warte seit Stunden auf dem Morro da Urca, denn in den Straßen der Stadt umherzulaufen erwies sich als zu anstrengend, seelisch wie körperlich. Die Blicke der Leute, die anzüglichen Bemerkungen einiger Männer sowie die große Hitze haben mir zu schaffen gemacht. Danach waren die Ruhe und der Schatten auf dem Berg eine echte Erleichterung. Anfangs jedenfalls.
    Jetzt plagen mich andere Probleme, von denen die Mücken noch das geringste sind. Voller Angst frage ich mich, was ich tun soll, wenn die Dunkelheit endgültig hereinbricht und Lu noch immer nicht aufgetaucht sein sollte. Wo kann ich hin? Ich habe weder Geld für ein Herbergszimmer noch die Kraft, eine Nacht allein im Wald zu verbringen. Auch stelle ich mir immer wieder dieselben quälenden Fragen: Hat Angélica vielleicht die Nachricht falsch weitergeleitet, oder möglicherweise gar nicht? Ist Lu aufgehalten worden? Ist ihm etwas passiert? Oder hat er gar beschlossen, mir nicht weiter helfen zu wollen?
    Nervöse Unruhe hat von mir Besitz ergriffen, die, gepaart mit meiner Unentschlossenheit, zu nichts anderem führt, als dass ich zwischen den Bäumen hin und her laufe. Wenn ich den Wald noch verlassen will, muss ich es in den nächsten Minuten tun, denn danach wird es schon zu dunkel und damit zu gefährlich sein. Wenn ich stolpere und hilflos liegen bleibe, können Tage vergehen, ehe mich jemand findet. Aber soll ich diesen Ort überhaupt verlassen? Was, wenn Lu doch noch kommt und ich nicht mehr hier bin? Und wo soll ich die Nacht verbringen? Ich drehe mich gedanklich im Kreis und das macht mich schier wahnsinnig.
    Schließlich trifft das Tageslicht die Entscheidung für mich: Ich habe fünf Minuten zu lang gezögert, und nun ist es bereits so dunkel, dass ein Abstieg nicht mehr infrage kommt. Also bleibe ich. Komischerweise ist mir jetzt, da ich keine andere Wahl mehr habe, nicht mehr so bang zumute wie vorhin noch. Ich muss mich mit meiner unschönen Lage arrangieren, und das erfordert von mir Tatkraft und Willensstärke– beides kann ich eher mobilisieren als Entschlussfreude. Die Aussicht, die Nacht mit ekligen Tieren zu verbringen, ist mir immer noch lieber als die unerträgliche Unentschlossenheit von eben.
    Ich stehe auf und sammele im letzten Dämmerlicht ein paar Steine und dicke Zweige auf, mit denen ich mich zur Not gegen Tiere verteidigen kann. Leider kann ich kein Feuer machen, denn das würde solch unliebsame Besucher am sichersten fernhalten. Dann schaue ich mich nach einem Platz um, der geschützter liegt als die Stelle, an der ich die ganze Zeit gewartet habe. Wenn Regen einsetzt, und danach sah der Himmel aus, möchte ich vom Blätterdach geschützt werden. Direkt unter einen großen Baum sollte ich mich aber nicht setzen, denn wenn es ein Gewitter gibt, will ich nicht vom Blitz getroffen werden.
    Ich entdecke ein paar Sträucher– hoch genug, um darunter Schutz zu finden, niedrig genug, um keine Blitze anzuziehen–, die ihrerseits von den ausladenden Kronen der Bäume überdacht werden. Unter diesen Sträuchern werde ich mein armseliges Nest für die Nacht bauen. Wenn ich doch nur ein Messer hätte! Aber nein– mein einziges Werkzeug sind meine Hände und Füße. Also reiße ich mich zusammen und beginne, die unteren Zweige der Sträucher abzuknicken oder beiseitezutreten. Ich kann nur hoffen, dass keines der Gewächse giftig ist und brennende Quaddeln auf meiner Haut verursacht. Die Dornen an manchen der Zweige sind schon übel genug.
    Nach einer Weile ist es mir gelungen, einen Hohlraum zu schaffen, der mir genügend Platz bietet, zumindest wenn ich liege oder sitze. Hinlegen will ich mich aber auf keinen Fall, denn meine Angst vor Insekten, die sich in meine Ohren verirren, ist gewaltig. Ich werde die Nacht eben in der Hocke verbringen müssen, was zwar schrecklich ist, aber irgendwie zu schaffen sein muss. In tiefster Dunkelheit krabbele ich auf allen vieren in mein Versteck, dann hole ich meine » Waffen « , die Steine und Zweige, nach innen. Plötzlich kitzelt mich etwas an der Wange und mit

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