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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Zigarre auf und fummelte mit einem Feuerzeug herum. Nach einigen Qualmwölkchen fuhr er fort: »Wahrscheinlich erleben alle Kinder ihre Väter so?« Fragend blickte er Katinka an.
    »Würden Sie sagen«, formulierte Katinka, ohne sich auf eine Entgegnung einzulassen, »dass Ihre Mutter schon immer tatkräftiger als Ihr Vater war?«
    »Unbedingt.« Er dachte nach. »Unbedingt, ja.« Er sah gequält drein, aber in seinen Augen spiegelte sich auch ein Hauch jener Nervosität, wie sie Leute mit sich herumtragen, die ständig auf der Hut sind. »Meine Eltern haben kaum noch Freunde. Es ist halt ziemlich nervig, sich stundenlang anhören zu müssen, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind, wenn der Anteil von Alprazolam in der Tablette erhöht wird, und was genau die Psychiaterin nach dem letzten Beratungsgespräch in ihr Gutachten geschrieben hat.«
    Katinka wartete eine Weile, obwohl ihr die Gedanken in den Fingerspitzen beinahe unerträglich kribbelten. Die Taktik ging auf.
    »Haben Sie Bernhard Kroll schon kennengelernt?« Markus Isensteins Gesicht wurde düster. »Ein spießiger Lehrertyp. Er meint, meinem Vater unter die Arme greifen zu müssen. Als hätte mein Vater mit meiner Mutter nicht schon jemanden zu ertragen, der ihn immerfort mit seiner Hilfe terrorisiert.«
    »Ihre Mutter ist Unternehmerin«, sagte Katinka sinnend. »Sie ist sicher sehr beschäftigt.«
    »Meine Mutter beherrscht die Gabe der Bilokation«, entgegnete Markus Isenstein gehässig.
     

7. Des Menschen freier Wille
    Katinka durchfurchte mit dem Löffel ihr Müsli, als gelte es, Bewässerungsgräben anzulegen. Carla saß ihr gegenüber, graue Fältchen um die Augen, die ihre zur Schau gestellte Munterkeit Lügen straften. Verstohlen musterte Katinka ihr junges Gesicht. Sie dachte an Markus Isensteins Worte über Tatkraft als Waffe.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte Carla.
    Katinka baggerte durch ihr Müsli. Carla kam ihr vor, als besäße sie eine Art Detektor, mit dem sie das Gehirn anderer Leute nach Felsspalten und Abgründen durchleuchten konnte. Gestern Abend waren sie auf dem Spezi gesessen, hatten Bambergs Dächer betrachtet und Sülze mit Musik gegessen. Tom einsilbig, Carla genauso redselig wie einfühlsam, Katinka als Moderatorin. Den ganzen Abend schien es ihr, als röntge Carla ihren Kopf. Tom hatte sich diese Nacht in seinem Bett ebenso herumgewälzt wie seine Mutter auf dem Ausziehsofa im Wohnzimmer, und Katinka fragte sich ernsthaft, ob er seine Verletztheit jemals würde überwinden können. Carla wollte nichts anderes, als ihren Sohn kennenzulernen. Bestimmt drängte irgendwo in ihr der Wunsch, zu erklären, warum sie Tom abgegeben hatte. Ich denke nach über dich und Tom, wollte Katinka sagen. Sie kaute an ihrem Müsli. Es kam ihr vor wie Mörtel.
    »Gestern habe ich mit dem Sohn meines Klienten gesprochen«, sagte sie vorsichtig. »Es ging darum, ob es eine Tablette geben dürfte, die den Abenteuerlustigen den Spaß an einem Bungee-Sprung nimmt, und die gelangweilten Arbeitnehmer bersten lässt vor Tatendrang. Genaugenommen haben wir über den freien Willen gesprochen.«
    »Habt ihr das«, stellte Carla fest und goss sich Kaffee nach. Ungefragt füllte sie auch Katinkas Tasse. »Ein spannendes Thema.«
    »Mein Klient«, fügte Katinka bedachtsam hinzu, »leidet an einer psychischen Erkrankung, die ...« Sie schwieg. Sie hatte sagen wollen »die ihm den freien Willen nimmt«, aber das stimmte nicht. Sie wusste noch zu wenig über das Dostojewski-Syndrom, an dem Ewald Isenstein litt. Notiz im Kopf. Medizinische Beratung suchen.
    »Was für eine Erkrankung?«
    »Dostojewski-Syndrom«, sagte Katinka.
    »Nie gehört.« Carla lächelte. »Nur Dostojewski sagt mir was. Ich mochte seinen Roman ›Der Doppelgänger‹.«
    »Du solltest dich mit Hauptkommissar Uttenreuther unterhalten«, seufzte Katinka. »Er liest kiloweise Bücher aller Art.«
    »Gern.« Carla drehte den Kaffeebecher zwischen ihren Händen. »Du sagtest, ihr hättet über freien Willen gesprochen. Was ist das?«
    Verblüfft sah Katinka hoch.
    »Was das ist? Dass wir frei sind, zu tun, was wir wollen!«
    »Ach, sind wir das?«
    Ihr Tonfall schmeckte nach schwarzer Herrenschokolade.
    »Sind wir das nicht?«
    »Liebe Katinka, Freiheit ist eine Illusion, genauso wie der freie Wille eine Illusion ist. Sitzt du hier mit mir aus freiem Willen, oder weil du meinst, wenn schon Tom sich nicht kooperativ zeigt, dann musst wenigstens du als seine Partnerin Gastgeberin

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