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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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kämmte, dass sie sich wiegten wie Ozeanwellen. Bei aller Bewunderung musste sie Acht geben, in Altershausen richtig abzubiegen. Nun wurden die Hügel steiler, die Talfalten enger. Ein Motorrad überholte aufjaulend Katinkas Käfer, ziemlich verdreckt, das Nummernschild unlesbar. Schmutzreste flogen nach allen Seiten. Sie ließ mehr Abstand. Veits Wagen erklomm schon die nächste Kuppe. Dahinter ragte drohend ein Gebirge aus grauen Wolken auf. Katinka meinte, entferntes Donnergrollen zu hören. Das Motorrad bog mit einem schneidigen Schlenker auf einen Flurbereinigungsweg ab. Steinchen spritzten auf.
    Katinka gab Gas, um aufzuholen. Weit vor sich sah sie die Reichsburg von Königsberg. Sie dachte an Elvira Hanf in ihrem schmucken Fachwerkhäuschen. Wischte sich die verschwitzen Hände an den Jeans ab. Ein hässliches Knirschen kam von irgendwoher. Der Wagen ruckte. Erschrocken trat Katinka auf die Bremse, das Lenkrad zappelte in ihrer Hand wie eine Forelle. Sie rollte noch ein Stück, bis sie rechts in der Zufahrt zu einem Feldweg zum Stehen kam. Sie stieg aus. Ging um ihr Auto herum.
    Der linke Vorderreifen war platt. Komplett platt.
    »Verfluchte ...«
    Sie drehte sich ein paar Mal um sich selbst, ließ ihre Schimpftirade unvollendet und trat mit Wucht gegen die Tür.
    Das ist jetzt nicht wahr, dachte Katinka. Sie blickte sich um. Die Wolkenwand kam näher. Aufgeblähte, violette Ungeheuer schoben sich über die Reichsburg. Das Licht ergraute. Katinka ging in die Knie und besah sich den Reifen. Ein heimtückisches Stück Metall steckte schräg im Profil, drei dünne eiserne Spießchen ragten aus dem Gummi. Nachdenklich fuhr sie mit dem Finger darüber hinweg. Das Motorrad. Die wegspritzenden Schmutzkrümel ...
    Katinka riss sich die Sonnenbrille von der Nase und schleuderte sie auf das Armaturenbrett. Öffnete den Kofferraum und suchte nach dem Ersatzreifen. Fehlanzeige. Sie lehnte sich an den Kotflügel. Ihre Gedanken wehrten sich gegen jede rationale Überlegung, doch irgendwo im Hinterkopf glaubte sie sich zu erinnern, dass der Käfer gar nicht mit einem Ersatzreifen ausgerüstet war. Inzwischen gab es ein Reifendichtmittel, das mit Hilfe eines kleinen Kompressors in den platten Reifen eingeleitet wurde und dort das Leck verklebte, damit man den Reifen wieder aufpumpen und bis zur nächsten Werkstatt schleichen konnte. Sie erinnerte sich sogar, dass sie die Gebrauchsanleitung für diese Apparatur in einer stillen Stunde gelesen hatte – aus Neugier. Wie auch immer, grübelte Katinka, in meinem Kofferraum ist nichts außer einem Verbandskasten, einem Warndreieck und ziemlich viel Staub.
    Sie schlüpfte in einen Latexhandschuh und zog mit einiger Mühe die Eisenkralle aus dem Reifen. Ein geschickt geschmiedetes Stück Metall, mit vier spitzen Enden, das immer so fiel, dass ein Stachel nach oben zeigte und sich in alles bohrte, was des Weges kam. In einen Fuß. Oder in einen Reifen. Eine hübsche, sehr alte Erfindung. Fast so alt wie Freund und Feind. Ein Krähenfuß.
    Katinka ging ein Stück die Straße zurück. Nach ein paar Minuten wurde sie fündig. Fünf weitere Krähenfüße lagen auf dem Asphalt. Sie sammelte die Folterknechte ein und verstaute sie in einer Plastiktüte.
    Es donnerte. Diesmal erschreckend nah. Katinka rannte zum Auto zurück. Erste Tropfen fielen, als sie das Verdeck schloss, doch dann versiegte der Regen so plötzlich, wie er gekommen war. Die Wolken rissen auf. Für einen Augenblick ergoss sich schwefelgelbes Licht über die Erde. Ein Wagen brauste hupend vorbei.
    »Wichser!«, schrie Katinka ihm nach.
    Sie setzte sich ins Auto und wählte Toms Handynummer. Mailbox. Sie versuchte es bei Britta. Das gleiche. Nervös lehnte sie den Kopf ans Lenkrad. Es war mittlerweile kurz nach fünf. Blieb nur einer. Hardo.
    Als er sich meldete, rollte tosender Donner über Katinka hinweg.
    »Hardo?«
    »Palfy! Was ist denn nun schon wieder?«
    Er steckte wirklich ziemlich im Stress.
    »Ich hab ein Problem. Genauer gesagt eine Autopanne.«
    Er lachte leise, als sie ihm die Koordinaten durchgab.
    »Das ist ein Jahrhundertereignis. Palfy sucht Hilfe bei einem Mann. Und ohne dass man sie halb tot aus der Gefahrenzone tragen muss.«
    »Sehr witzig.«
    »Ich hole Sie ab.« Donner krachte. »Sie denken daran, dass ein Cabrio kein Faradayscher Käfig ist, ja?«
    Katinka rollte mit den Augen.
    »Ich lege mich unters Auto.«
    »Machen Sie keinen Mist.«
    Katinka legte auf und wartete. Das Gewitter verzog sich. Sie

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