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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mier
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Leitung, genauso wie auf der der Redaktion und auf ih-
rem Handy. Und da die Anruferin stets die Nummer unterdrückte, konnte Carry
sie nicht zurückverfolgen.
«Du solltest die Polizei einschalten», riet Daphne ihr immer wieder besorgt, aber
welchen Sinn hatte das? Carry wusste beim besten Willen nicht, wer hinter diesen
Telefonaten steckte. Sie kannte noch nicht einmal die Stimme, die da am anderen
Ende wüste Drohungen gegen sie ausstieß. Wie sollte die Polizei ihr da helfen?
«Indem sie alle Leute, mit denen du zu tun hast, durchleuchten», hatte Daph-
ne geantwortet, aber das wollte Carry erst recht nicht. Alleine die Vorstellung, dass
die Cops in der Redaktion und in ihrem Privatleben herumschnüffelten und alle
ihre Freunde, Bekannten und Kollegen unter die Lupe nähmen, versetzte Carry
schon in Panik.
Verstohlen betrachtete sie ihr Gegenüber. Steckte vielleicht Robby hinter der
Sache? Aber nein! Was dachte sie da nur! Er war von allen Kollegen der netteste,
ein großer Junge, der heute noch seine Wochenenden am liebsten mit der Pfadfin-
der-Jugendgruppe verbrachte.
Er sah wirklich nicht schlecht aus mit seinem blonden Wuschelkopf und den
blauen Augen, war aber für Carrys Geschmack noch etwas zu grün hinter den Oh-
ren.
Einfach unausgereift, wie sie im Stillen dachte. In ein paar Jahren, wenn das
Leben Konturen in sein Gesicht geschnitzt hatte, würde er ein durchaus gut aus-
sehender Mann sein. Aber im Augenblick konnte Carry in ihm nicht mehr sehen
als einen netten Jungen, der immer noch zweimal die Woche zum Abendessen zu
seiner Mami ging.
Carry wusste, dass er sich mehr von ihr wünschte als die kollegiale Kamerad-
schaft, mit der sie ihm begegnete. Aus diesem Grund hatte Carry es auch bisher abge-
lehnt, mit ihm auszugehen. Aber heute waren ihr diese Vorbehalte egal. Sie brauchte
dringend Abwechslung, und Robbys Einladung kam ihr daher sehr gelegen.
«Was hältst du von Sekt?», schlug er gut gelaunt vor. «Das ist zwar ein etwas
ungewöhnlicher Aperitif, aber ich finde, dass wir unser erstes Date würdig bege-
hen sollten.»
«Gute Idee», stimmte Carry zu. «Was musstest du denn tun, um den Scheck
deiner Tante zu verdienen?»
Robby ging auf ihren scherzenden Tonfall ein.
    «Ihrem Papagei das Sprechen beibringen. Zum Glück ist es ein sehr gelehriges
Tier.»
Der Kellner unterbrach das Geplänkel. Während Robby seine Bestellung auf-
gab, sah Carry sich interessiert in dem eleganten Raum um.
Für die Ausstattung hatten die Besitzer viel Plüsch und Messing gewählt, um
den Gästen die Illusion einer längst vergangenen Epoche zu vermitteln. Verschnör-
kelte Kandelaber an den seidenbespannten Wänden und wunderschöne, auf Elek-
trizität umgebaute Petroleumlampen spendeten warmes Licht, das den feinen
Holz- und Messingverzierungen an den Säulen einen matten Glanz verlieh.
Zwischen diesen Säulen waren geschnitzte Geländer angebracht, um die sich
russischer Wein rankte. Auf diese Weise waren Nischen entstanden, in denen die
Gäste sitzen konnten, ohne den Blicken der übrigen Besucher von allen Seiten
preisgegeben zu sein.
Carry gefiel die ruhige, intime Atmosphäre. Leise Musik rieselte aus unsicht-
baren Lautsprechern in den Raum, die Gespräche waren gedämpft, untermalt von
dem dezenten Geklapper der Bestecke.
Ihr Blick blieb an einem Mann haften, der hingebungsvoll sein Cordon bleu
verspeiste, die Dame einen Tisch weiter war bereits beim Dessert angelangt. Sie
trug ein geblümtes Seidenkleid, das in seinem jugendlichen Design nicht so ganz
zu ihrem Alter passte.
Langsam ließ Carry ihre Blicke weiter herumspazieren. Eben traf eine Gruppe
neuer Gäste ein. Zehn, meist ältere Herren, alle durchweg in dezente Geschäftsan-
züge gekleidet, betraten nacheinander den Raum.
Carry sah lächelnd zu, wie sie sich am Rezeptionstisch aufstellten. Während
sie auf den Oberkellner warteten, der sie zu dem für sie reservierten Tisch führen
sollte, sahen sich einige von ihnen interessiert um.
Im nächsten Moment gefror das Lächeln auf Carrys Gesicht. Für den Bruch-
teil einer Sekunde setzte ihr Herzschlag aus, um dann sich überschlagend wieder
einzusetzen. Mit angehaltenem Atem sah sie, wie Lawrence durch die hohen Glas-
türen in den Gastraum trat. Er gesellte sich zu den älteren Herren, sprach kurz
mit ihnen und wandte sich dann dem wartenden Oberkellner zu. Carry gelang es
gerade noch, ihr Gesicht abzuwenden und scheinbar gespannt Robby zu

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