Jasmin - Roman
mein Vater, »und es ist gut, dass er dieser Araberin hilft. Wieso denn nicht, ist sie kein Mensch?«
»Siehst du, bei allem, was ich sage, ist er gegen mich.«
Wenn sich meine Mutter an mich wandte, um sich über meinen Vater zu beschweren, witterte ich Streit. Man musste den Schlag im Voraus entkräften. »Wo ist Chizkel?«, wechselte ich das Thema.
»Im Kibbuz, bei Ephraim. Er wird die ganze Woche dortbleiben.«
Auf meinen Weg nach draußen bedauerte ich es, dass Chizkel nicht da war. Seine Anwesenheit hätte sie beruhigt oder zumindest gezügelt. Seit wir nach Israel eingewandert waren, wuchs die Spannung zwischen ihnen. Sie stritten ständig, wegen allem und jedem.
In den ersten Monaten in Israel hatte mein Vater den Traum gehegt, Reis anzubauen, und das sumpfige Chulatal dafür ausgewählt. Er sah sich als Visionär und Initiator eines neuen Landwirtschaftszweigs, strotzte vor Kraft und Zuversicht, doch mit der Zeit wurde er in den Mühlen der Bürokratie zerrieben. Die Enttäuschung fraß an ihm wie der Rost am Eisen, und als wäre das nicht schon genug gewesen, sah er sich gezwungen, im Straßenbau zu arbeiten, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu bestreiten. Sein Körper schrumpfte, und er sah in seinen guten Anzügen aus Bagdad, die ihm einmal perfekt gepasst hatten, nur noch wie eine Vogelscheuche aus. Am Abend, wenn er von der zermürbenden Arbeit nach Hause kam, wusch er sich und entschlüpfte ins Kaffeehaus, und so blieben wir ohne Vater zurück, ohne ein Streicheln oder eine Umarmung, ohne Ermutigung oder Stärkung, er tröstete uns nicht, flößte uns keine Hoffnung ein wie früher, war zerbrochen wie unser Zeltmast in den Stürmen des Winters des Jahres 1951.
Meine Mutter hatte keine Schulter, an die sie ihren Kopf hätte lehnen können, und kein Ohr, das ihrem Kummer lauschte. Sie lud sich den Haushalt auf, indem sie sich die Füße auf den Märkten des Übergangslagers wund lief, billiges, angeschlagenes Gemüse
kaufte, einen mitleiderregenden Versuch unternahm, auf dem sandigen Boden Tomaten, Lauch und Petersilie anzubauen. Aus einem dünnen Faden webte sie ein Gewand und beschirmte ihre Kinder wie eine verwundete Löwin ihre Brut. Manchmal versuchte sie, meinen Vater zu ermutigen, ihm zu sagen, dass ihm die Zukunft offen stehe trotz seines momentanen Scheiterns, und dann zitierte sie einen populären Ausspruch von dort, »wenn du gefallen bist, werde ein Mann«, und verstand nicht, weshalb er bis in die tiefste Seele hinein verletzt war, wenn sie ihn trösten wollte. Sie beschwor ihn, die Verwirklichung seines Traums zu verschieben, bis sein Bruder Chizkel freigelassen und nach Israel kommen würde, sagte, dass es ihnen gemeinsam gelingen würde, die sturen Beamten zu überwinden, doch alles, was sie sagte, verletzte ihn. In Bagdad hatte sie ihren Willen dem seinem untergeordnet und war ihm nach Israel gefolgt, und hier nun hatte sie entdeckt, dass auch sie Zähne hatte, bestand auf ihrem Willen, begehrte gegen die Tradition der Vergangenheit auf und ging hinaus zum Arbeiten. Mein Vater, der sich im Gegensatz zu ihr hier wie ein Löwe fühlte, dem man die die Zähne gezogen hatte, sah die Veränderung bei ihr nicht mit Wohlgefallen, er interpretierte sie nicht als Erstarkung ihrer Kräfte, sondern als Zeichen seiner Verkümmerung und fasste ihr neues Verhalten als schallende Ohrfeige auf, als ein »Du bist kein Mann, du bist nicht fähig, die Familie zu ernähren«. Da halfen meiner Mutter keinerlei Versuche, die Scherben zu kitten, mein Vater hüllte sich in eine dicke Decke des Schweigens und ließ sich nicht versöhnen.
Er ist hart mit ihr, dachte ich beim Gehen, er kommt nicht aus seiner Haut heraus, ist gekränkt wie ein kleiner Junge. Interessant, dass ein so offener und kluger Mann so verschlossen und stur blieb, wenn er seiner Frau gegenüberstand.
27.
IHRE UHREN UND UNSERE UHREN
Früh am Morgen brach ich zum Regierungsgebäude auf. Levana war bereits dort, die Einzige im Büro. »Welcher gute Geist treibt dich so früh hierher?«
»Die Sehnsucht«, lächelte ich.
»Wer’s glaubt, wird selig! Kann ich dich zu einem Kaffee einladen? Der Minister kommt um acht, wir haben ein bisschen Zeit.« Sie setzte sich an einen Seitentisch in der Cafeteria, und ich ging uns beiden Kaffee holen.
»Was plagt dich, Nuri?«, fragte sie unverzüglich.
»Sag mal, Levana, hast du hier gearbeitet, als man den Grund für Karmiel beschlagnahmt hat?«
»Nein, damals war ich Soldatin.
Weitere Kostenlose Bücher