Jasmin - Roman
flöge in die Luft. Eines Abends hatte ich mit ihm in seinem Redaktionsbüro gesessen, wir tranken Wodka, und er erzählte mir seine Leidensgeschichte, wie sie 1948 aus ihren Häusern fliehen mussten. Als wir die Redaktion verließen, waren wir völlig betrunken, hielten uns einer am anderen fest. Ich begleitete ihn zu seinem Dodge, und er legte mir schwankend eine Hand auf die Schulter und sagte: »Nuri, das Leben ist kurz. Wer weiß, wann meine Stunde kommt? Für meine Krankheit finden sie kein Heilmittel, und ich lehre mich selbst, das Gute im Schlechten zu finden.« Er sah sich nach allen Seiten um und lachte. »Sogar an eurer Besatzung finde ich etwas Gutes. Wir haben Jasmin zurückbekommen. Du kannst gar nicht wissen, wie dankbar ich dir dafür bin. Du hast mir meine Tochter zurückgebracht.« Damit klebte er mir einen schmatzenden Kuss auf die Wange und verschwand in seinem Wagen. In der Tat, eine verzwickte Situation, jedoch nicht hoffnungslos.
Um neun Uhr klingelte das Telefon. Jasmin. Sie entschuldigte sich, erzählte, dass ihr Vater, als sie gerade zum Imperial aufbrechen wollte, einen Schwächeanfall erlitten hatte und sie gezwungen war, ihn ins Hadassa zu bringen. Bis sie die Formalitäten erledigt und ein Arzt ihn untersucht hatte, war über eine Stunde vergangen. Sie hatte im Hotel angerufen, wo man ihr mitteilte, ich sei bereits gegangen. Sie entschuldigte sich ein zweites Mal und sagte, sie seien noch im Krankenhaus. Ich fragte, ob man ihn besuchen könne, und sie versprach, mich zu verständigen, wenn es ihm besser ginge.
Am nächsten Morgen bat ich Alisa, mich mit Schamluk vom Sicherheitsdienst zu verbinden.
»Schamluk, du wirst es nicht glauben, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Der Senator Antoine hat uns endlich kennengelernt, vor ein paar Tagen kam er persönlich in mein Büro, und wir haben uns lange unterhalten.«
»Dieser Gauner!«, schnauzte Schamluk, ignorierte völlig meine Absicht, ihn mit dieser Mitteilung zu erfreuen, und schimpfte weiter. »Wir haben Boten zu ihm geschickt, er möge seine Äußerungen gefälligst etwas mäßigen. Umsonst. Man muss ihm das Maul verbieten.«
»Er ist nur ein zahnloser Greis, krank und zittrig, komplett verwirrt«, hielt ich dem entgegen. »Macht aus ihm keinen Märtyrer.«
»Er soll sich zum Teufel scheren, er weiß nicht, was auf ihn zukommt. Wenn er nicht auf Moses hört, dann wird er auf den Stock des Pharao hören müssen.«
Nach einigen Minuten trat Alisa ein: »Jasmin Hilmi ist da.«
»Geben Sie mir zwei Minuten, um mich zu organisieren.« Ich stand auf, entleerte hastig meine vollgestopften Hosentaschen, zog sämtliche Zettel und ein Notizbuch, ein, zwei Taschentücher und die Brieftasche heraus, eine Gewohnheit aus meiner Jugendzeit, von der ich mich noch nicht befreit hatte. Dann lief ich durch die zweite Tür in meinem Zimmer kurz ins Bad. Vor dem Spiegel straffte ich das Hemd, zog den Krawattenknoten fest und bespritzte mich mit etwas Aftershave. Wärme verbreitete sich über mein Gesicht, das sich gerötet hatte. Was führte sie hierher, dachte ich besorgt, der Zustand ihres Vaters? Sie hatte schließlich geschworen, dass sie die Büros der Besatzer niemals betreten werde.
Ich ging ins Wartezimmer hinaus und sah sie dort etwas verkrampft stehen, ihre Augen hinter der großen, dunklen Sonnenbrille verborgen und ihr Kopf mit einem Schal verhüllt. Alisa
hatte ihr Schirm und Regenmantel abgenommen, und sie stand in einem langen schwarzen Rock und einem langärmligen braunen Pullover vor mir, als sei sie zu einem Besuch in Me’a Sche’arim, dem Orthodoxenviertel, gekommen. Ich schloss die Tür und erkundigte mich, wie es ihrem Vater ging.
»Besser«, antwortete sie, setzte sich müde und zog ihre Beine an den Stuhl. Dann holte sie ihre dünnen Zigaretten heraus, zündete sich eine an und sog geräuschvoll daran, musterte den Raum und nahm zögernd die Sonnenbrille ab. Ich wusste, dass nur etwas ganz Gravierendes sie hierher bringen konnte, und vermutete, dass sie diese gravierende Angelegenheit erst zum Schluss des Gesprächs vorbringen wollte, wie es bei ihnen üblich war.
»Es ist gut, Sie zu sehen. Ich denke viel an Sie und …« Ich verstummte. »Haben Sie Ihre Arbeit fertig?«
Sie schüttelte den Kopf: »Noch nicht.«
»Jasmin, ich habe Neuigkeiten. Ich habe Edna Mazursky ausfindig gemacht. Nach dem Krieg, vor acht Monaten, ist sie zu ihrer Schwester nach New Jersey gegangen, und allem Anschein nach hat sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher