Jasmin - Roman
anzurichten und für sie andere Rahmenbedingungen zu finden, damit sie gefördert werden können. Das ist
mir wichtig«, betonte sie. »Aus diesem Grund führe ich ab und zu Kontrolltests mit den Kindern des ganzen Dorfs durch, und man entdeckt tatsächlich hier und dort Kinder darunter, die man stufenweise in einen normalen Rahmen überführen kann. Zusätzlich zu der Diagnostik gibt es natürlich die gemeinsame therapeutische Arbeit. Ich bin für die Beratung des Personals zuständig und kümmere mich auch direkt um die Kinder, und darin liegt der hauptsächliche Sinn meiner Arbeit.« Sie unterbrach sich für einen Moment. »Das ist alles, mehr oder weniger. Ich bin froh, dass ich dorthin gekommen bin. Und vielleicht ist jetzt an der Zeit, Ihnen zu danken, Nuri«, damit stand sie auf, zog sich mit einer raschen Bewegung den Pullover über und band den Schal um ihren Kopf.
»Sie gehen?«
»Ich muss, mein Vater wartet auf mich im Krankenhaus.«
»Vergessen Sie bitte nicht, ihm Grüße und gute Besserung von mir zu bestellen.«
Stets bereitete mir die sachliche Klarheit ihrer Worte Vergnügen. Zugleich streifte mich erneut das Bedauern, dass sie darauf bestand, mit mir ausgerechnet Englisch zu sprechen, das sie ungleich besser beherrschte als ich. Ihre Worte klangen für mich manchmal wie eine komplizierte mathematische Formel, und mehr als einmal fühlte ich mich ihr gegenüber wie ein Stotterer. Ich konnte verstehen, dass sie mit mir nicht Hebräisch sprechen wollte, obwohl sie bei ihrer Arbeit im Jugenddorf wie eine Jüdin sprach. Aber weshalb war sie nicht damit einverstanden, dass wir miteinander Arabisch redeten, das doch unsere gemeinsame Muttersprache war? Weshalb benutzte sie das Englische als Barriere zwischen uns, als Linienrichter, als britisches Mandat, das uns beherrschte? Vielleicht verbarg sich die Erklärung für diese Laune in einem Satz von Frantz Fanon, den sie einmal zitiert hatte: »Eine bestimmte Sprache zu sprechen bedeutet vor allem, eine Kultur anzunehmen.«
Man musste rasch handeln, sagte ich mir, das Gespräch mit Schamluk hatte nichts Gutes verheißen. Ich rief Levana an, bat sie, mich mit dem amtierenden Minister zu verbinden, und wartete angespannt, wie immer, wenn ich mich an ihn wandte. Ich unterrichtete ihn in Kürze über die Einzelheiten der Affäre.
»Nuri, der Mann ist ein Verleumder Israels. Ich habe das Interview gelesen, das Sie mir gegeben haben.«
»Und was sind wir, vielleicht Liebhaber Ismails?«
»So hören Sie doch, sogar wenn ich Ihnen zustimmen würde, das liegt nicht in meiner Kompetenz.«
»Die Politik der Vertreibung erweckt Hass und schadet unserem Namen in der ganzen Welt. Sie müssen Dampf ablassen dürfen«, protestierte ich erregt. »Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, milder zu werden, eine Annäherung finden, eine Brücke der Versöhnung bauen. Das macht man nicht mit Gewalt und Zwang. Bitte«, beschwor ich ihn.
Es herrschte Schweigen. »›Auf dass du das Böse aus deiner Mitte wegtust‹, so steht es schon in der Bibel«, zischte er auf einmal, und das Gespräch war beendet.
Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen wie ein angestochener Ballon. Vielleicht hätte ich persönlich mit ihm reden sollen, statt ihn anzurufen. Ich wusste immer noch nicht, was bei ihm Wirkung zeigte, was sein Herz bewegte. »Sprich im Guten mit ihm«, riet Levana immer, doch in meinem Innersten begehrte ich auf: Das war eine nationale Angelegenheit, und ich war sein Berater, zum Teufel noch mal!
»Alisa, verbinden Sie mich mit Amitai, bitte. Dringend.« Amitai war meine letzte Hoffnung. Ich würde mit ihm reden, auch wenn ich damit den amtierenden Minister umging und entgegen seiner Meinung handelte. Eine geschlagene Stunde mühte sich Alisa ab, bis sie ihn erreichte.
»Colonel, sagt dir der Name ›Senator Antoine‹ etwas?«
»Die Würfel sind gefallen«, sagte er knapp.
»Vielleicht könntet ihr es euch trotzdem noch einmal überlegen.
Es ist ein Fehler, der uns schaden wird. Warum soll man eine Fliege mit einem Hammer erschlagen?«
»Nicht jede Fliege ist bloß eine Stubenfliege, Nuri, es gibt auch giftige Fliegen, deren Stich tödlich ist.« Vom anderen Ende der Leitung erreichte mich das Geräusch, das durch das Saugen an seiner Pfeife entstand. »Sonst noch etwas?«, fragte er.
»Großartig.« Ich warf den Stift auf den Tisch, zog den Regenmantel an und stürmte wütend hinaus.
»Wohin gehen Sie? Es gießt in Strömen! Nehmen Sie wenigstens einen
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