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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Regenschirm mit!«, sprang Alisa hinter mir her.
    Zum Teufel, wozu war ich da, wenn nicht, um zu beweisen, dass es anders ging? Der Minister dachte, das ich die Araber liebte, er hatte nicht bemerkt, dass ich gewissermaßen Charlie Chaplins Worte zitiert hatte: »Ich kann kein Blut sehen, aber es fließt in meinen Adern.«

32.
    »EINE KOSCHERE CHRISTIN«
    Als sie Nuris Büro verließ, hatte Jasmin das Gefühl, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen und sie in einen Strudel hineingerissen. Was empfand er für sie? War er nun gleichgültig korrekt oder höflich respektvoll gewesen? Und wohin würde eine Beziehungen mit ihm führen?
    Sie erinnerte sich an seine Bemerkung, als er sie einmal nach Hause begleitet hatte und sie die Ragheb-Naschaschibi-Gasse erreicht hatten. Er hatte damals erzählt, dass die Gasse nach dem arabischen Bürgermeister benannt sei, der eine Jüdin geheiratet hatte, und im gleichen Atemzug hinzugefügt, dass Raschel, die Frau seines Onkels Chizkel, diesen verlassen hatte und bei dem muslimischen Rechtsanwalt im Irak geblieben war, der ihn verteidigt hatte. Signalisierte er damit, dass er bereit war, ein derartiges Wagnis einzugehen?
    Es war nicht einfach. Er bezeichnete sich zwar selbst als Araber, in Leben, Sprache und Kultur der Araber verwurzelt, doch er war Jude, ein reiner Jude, seine Mutter war gläubig, sein Großvater ein Rabbiner gewesen. Was würde er seiner Familie sagen? »Ich habe euch eine koschere Christin gebracht«?
    Doch vielleicht bildete sie sich nur etwas ein, vielleicht war da gar nichts. Einfach ein neugieriger Mann, der der Kette seiner Eroberungen noch eine Perle hinzufügen, mit einer »Goja« ein wenig flirten wollte, wie sie es eben gerne taten. Jetzt übertreibst du aber, überlegte sie weiter, benimmt sich so ein Mann, der nur einen Flirt sucht? Nein, sie täuschte sich nicht, und sie bildete sich auch nichts ein, der Himmel schien sich zu öffnen, wenn sie einander gegenüberstanden.

    Was wusste sie von ihm? Und was war dem zu entnehmen? Als Sechzehnjähriger hatte er seine Familie verlassen und war in den Kibbuz gegangen, hatte den Kibbuz verlassen und war zu seiner Familie im Durchgangslager zurückgekehrt, hatte sie wieder verlassen und war nach Jerusalem gezogen, ein Junge, der sich selbst durchbrachte, und als es ihm gelungen war, die gesamte Familie dorthin zu übersiedeln, hatte er wieder eine Weile bei ihr gewohnt, sie dann erneut verlassen und sich ein eigenes Zimmer gemietet. Diese Wechsel bezeugten, dass er ein selbstständiger Mensch war, kein Weichling, der am Schürzenzipfel seiner Mutter hing. Er war gut für Überraschungen. Als Kind war er entwurzelt worden und hatte es danach geschafft, in einer neuen Kultur Fuß zu fassen, obgleich die Narben der Entwurzelung tief in seiner Seele eingeprägt waren. Würde er den Mut aufbringen, die Fesseln von Volk und Religion zu lösen? Vielleicht. Er war widerspenstig, trat Konventionen mit Füßen − wenngleich mit Samtpfoten −, tat, als ob er sie nur rein zufällig sachte berührte, sprach mit sanfter Stimme. Er besaß Neugier und die Fähigkeit, sich auf den anderen einzulassen. Ich würde gerne seine Eltern kennenlernen, dachte sie und lächelte über sich selbst: Mademoiselle Hilmi, willst du ihn zum Bräutigam?
    Er hatte ihr erzählt, dass sein älterer Bruder eine amerikanische Freundin habe, ob die Jüdin war? Heirateten Juden in Europa und Amerika nicht auch Christinnen? Hätte sich Nuri in London oder Paris in eine Christin verliebt, so hätte er sich wohl nicht gescheut, sie zu heiraten. Würde er für eine palästinensische Araberin die Grenzen überqueren können? Seine Mutter würde sicher ausrasten, und was würde sein Vater sagen? Er konnte seine Stelle, seine Position und sein ganzes Umfeld aufs Spiel setzen. Vielleicht würde er es dennoch tun. Er war ein anderer Jude, anders als das Bild, das Faiz und seine Kameraden in dem palästinensischen Kampf um die öffentliche Meinung zeichneten. Eine Art neuer Israeli, kein Macho, kein Kriegsheld und kein Pionier mit der Axt, wie sie sich selbst so gerne sahen.

    Ihr Kopf zersprang schier vor lauter Fragen und Nachdenken über ihn und sie. Und warum wagte sie es nicht, ihn einfach zu fragen: »Was willst du von mir?« Sie hätte so gerne angefangen, wieder zu leben, wäre so gerne aus der Trauer herausgekommen, die zwecklos war, aus der Bitterkeit, der Einsamkeit, dem patriotischen Kampf, als sei das ganze Leben nichts als

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