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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Krieg und Rache, Einforderung von Rechten, nur Ideologie. Vielleicht bedeutete das wahre Leben schlicht, zu lieben, Gemeinsamkeiten zu finden, eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen, wie es ihre Freundin Nahad und die Menschen auf der ganzen Welt taten. Seit sie ihn getroffen hatte, spürte sie plötzlich den Wunsch nach einem Kind, den Wunsch, geliebt zu werden und zu lieben, das Streicheln eines Mannes zu genießen, die Wärme seines Herzens, seine Freundschaft, nach einem Leben mit einer verwandten Seele. Sie träumte davon, am Morgen aufzustehen, während neben ihr auf dem Kissen ihr Mann noch ruhte, seinem Atem zu lauschen, sich um ihn zu kümmern und ihn zu verwöhnen, Arm in Arm mit ihm auf der Straße zu gehen, zu zweit zu träumen.
    Plötzlich hielt sie entsetzt inne. Was war bloß los mit ihr? Bis jetzt hatte sie alle sehnsüchtigen Gedanken verdrängt. Sie hatte nie daran gedacht, dass es überhaupt möglich wäre, ihn in ihr Leben einzulassen. Und nun beschäftigte er sie ohne Unterlass. Ihre Gedanken waren die einer verliebten Frau. Warum musste sie sich von allen Männern auf der Welt ausgerechnet in einen Juden verlieben?
    Im Grunde hatte sie keine Angst mehr, über alle Möglichkeiten nachzudenken, es war wie ein neuer Geschmack in ihrem Leben. Er würde nicht für sie zum Christentum übertreten. Wäre sie bereit, zum Judentum zu konvertieren? Sah er in ihr den Feind, so wie sie in ihm den Besatzer gesehen und ihn unablässig provoziert hatte? Sie hatte ihm permanent Misstrauen entgegengebracht, wie es die Art der Schwachen war, ihm unfundierte Vorwürfe gemacht. Er benahm sich aber nicht wie ein Besatzer, wie ein arroganter Machthaber. Und weshalb musste sie fremdbestimmte
Erwägungen in ihr Privatleben mit einbeziehen? Was hatte das damit zu tun? Wir sind alle Menschen, dachte sie. Wenn man dem Schwarzen seine Haut abschält, nur einen Millimeter, gleicht er in allem dem Weißen, um wie viel mehr also glichen sich die, die in dieser Region und Sprache heimisch waren!
    Weshalb beharrte sie darauf, ausgerechnet Englisch zu sprechen? Hebräisch mochte sie nicht mit ihm reden, das empfand sie als Verneigung vor dem Besatzer, doch sie hätten Arabisch miteinander reden können, wie er es vorgeschlagen hatte, was sich allem Anschein nach als ganz natürlich angeboten hätte. Warum weigerte sie sich? Wollte sie ihre Beherrschung des Englischen demonstrieren? Oder vielleicht begriff sie das Englische unbewusst als internationale Sprache und wollte die Nationalität, die aus dem Hebräischen und dem Arabischen schrie, neutralisieren.
    Sie zeigte sich mit ihm in der Öffentlichkeit, hatte sogar eine Verabredung mit ihm in einem Hotel im Ostteil der Stadt getroffen, und das ungeachtet dessen, dass man hier als Frau, wenn man mit einem Mann auch nur redete, gegen Zucht und Ordnung verstieß. Die Ehre der arabischen Frau war der oberste Wert in ihrer Gesellschaft. Eine »Mordsehre«, wie man bei ihnen spöttisch sagte, doch das half alles nichts, wenn es um diese Ehre ging, auch gebildete und kluge Menschen gingen in diese Falle.
    Als sie ihn zum ersten Mal im American Colony sah, symbolisierte er für sie das Unglück ihres Volkes. Sie hatte ihn eigentlich gar nicht gesehen, sondern ihn zum Aufhänger für die ganze Not der Besetzung gemacht. Sie hatte damals auch nicht mit ihm geredet, sondern ihm Parolen vorgetragen. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass einmal eine Seelenverwandtschaft zwischen ihnen entstehen und ihr Körper beim bloßen Gedanken an ihn aus seinem Winterschlaf erwachen würde. Vielleicht wäre es auch besser, sie würden von hier weggehen, von diesem wahnsinnigen Ort, Arbeit und ein Leben woanders finden. Frankreich, Amerika, Australien, Neuseeland. Hier hatten sie keine Zukunft.

    Und angenommen, sie würde ihn heiraten, und sie würden zusammenleben, wohin würde sie gehören? Mit wem würde sie sich identifizieren? Mit ihm und seinem Volk? Und was würde aus ihr? Ihr ganzes Leben wäre gewissermaßen gespalten. Die Araber würden sie aus ihrer Mitte verstoßen, die Juden sie niemals aufnehmen.
    Und ihre Eltern? Der Gedanke daran, was sie ihnen damit antun könnte, ließ ihren Atem stocken. Ihre einzige Tochter, ihr Augapfel, heiratete einen Zionisten? Sie würde ihnen das Herz brechen, es wäre, als würde sie sterben.
    Und auch wenn sie heirateten und eine Familie gründeten, wer würden ihre Kinder sein, und was würde sie erwarten? Zu welcher Gemeinschaft würden sie

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