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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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gehören? Würden sie Juden sein? Christen? Araber? Israelis? Palästinenser? Und in welcher Armee würden sie dienen? Vielleicht wären sie zerrissene Seelen, würden von hier fliehen und sich selbst anderswo suchen.
    Sie brauchte jetzt Edna Mazursky an ihrer Seite, ganz dringend, nur mit ihr könnte sie reden. Oder schien es ihr vielleicht nur so, dass sie mit ihr reden könnte? Vielleicht hatte sich ihre Edna verwandelt, war nur ein Trugbild, ohne Zusammenhang mit der wirklichen Edna von heute. Sie hatte wohl vergessen, dass sie sich Jahre nicht getroffen hatten, dass sie achtjährige Mädchen waren, als sie zum letzten Mal miteinander sprachen. So viel war seitdem passiert! Wie konnte sie eine Frau, die in New Jersey lebte, aus heiterem Himmel überfallen und in einen Telefonhörer über Nuri, über ihr Innerstes und das schwankende Fundament ihrer Welt reden?

33.
    »DEINE JASMIN«
    Ende Januar, einige Zeit nach dem Terroranschlag auf Romema, besuchte Jasmin wieder überraschend mein Büro, legte das Buch von Nagib Machfuz, »Zwischen den Palästen«, auf den Tisch und sagte mit unverhohlener Freundlichkeit: »Ich wollte Ihnen ein kleines Geschenk bringen, ein Buch, das mir sehr gefallen hat.« Und damit ging sie.
    Ich streichelte das Buch, das sie mir gebracht hatte. Das Geschenk der scharfzüngigen Schönen wärmte für einen Augenblick mein Herz, vertiefte jedoch auch die Trauer und die Einsamkeit, in der ich mehr und mehr versank. Die Sehnsucht nach ihr wurde immer unerträglicher, doch ich erreichte sie nicht. Wie beim Tango, ein Schritt vor, zwei zurück. Einen Augenblick schwebte ich mit ihr dem Himmel entgegen, und im nächsten stürzte ich in einen Abgrund. Diese Wechselbäder erschöpften mich. Vielleicht sollte ich mich auf Michelle konzentrieren. Michelle war nett, klug, voller Leben, und sie begehrte mich. Ich war nicht verloren mit ihr. Wenn ich weiter an Jasmins Pforten klopfte, würde ich irgendwann zum einsamen alternden Junggesellen. Aus irgendeinem Grunde fiel mir ein Gedicht von Lea Goldberg ein, das sich mir von dem Moment an eingeprägt hatte, in dem ich es in meiner Studentenzeit gehört hatte:
     
    Es ist nicht das Meer, das zwischen uns steht,
es ist kein Abgrund, der zwischen uns liegt,
es ist nicht Zeit, die zwischen uns steht,
es ist - wir zwei sind es, die zwischen uns stehen.

     
    Das Telefon klingelte. Michelle. Gut, dass sie an mich dachte. »Wollen wir heute Abend ins Kino gehen?«, schlug sie vor. Wir vereinbarten, uns um acht Uhr am Smadar-Kino in der deutschen Kolonie zu treffen.
    Als ich nach Hause kam, fand ich einen nachdenklichen Brief von meinem Bruder Kabi vor, der schon in das geheime Land zurückgekehrt war, in dem er arbeitete. »Wenn ich meinen Dienst beende und nach Israel zurückkehre, werde ich möglicherweise meinen Wohnort wechseln«, schrieb er. »Warum soll man in der heiligen Stadt der Toten, in Jerusalem, leben, was kann man in dieser Stadt der Steine und der Trauer anfangen, in diesem Grab von Generationen? Es ist besser, in einer verworfenen, verhurten und heißen Stadt zu wohnen, der Stadt der Bialiks, Altermanns und Schlonskys. Vielleicht sogar in Ramat Gan, wo die Bewohner Bagdads sich angesiedelt haben, eine Stadt von Holzofenfladen, Tscholenteiern und persischem Knoblauch. Wundere Dich nicht, mein kleiner Bruder, wenn ich bei meiner Rückkehr von dieser Mission den Steinen Jerusalems den Scheidungsbrief ausstelle und eine neue Seite im Sand Tel Avivs aufschlage.« Was hieß, eine neue Seite? Wollte Kabi damit andeuten, dass er endlich heiraten würde? Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken.
    »Nuri, statt uns am Kino zu treffen, komme ich zu dir«, verkündete mir Michelle.
    »O weh, nein. Die Wohnung ist schmutzig und chaotisch, warte dort auf mich. Ich komme sofort.«
    »Du hast keine Chance, es ist an der Zeit, dass ich sehe, wo du lebst. Wie ist die Adresse? Elazar-Hamoda’i 13? Gut, dann auf Wiedersehen.«
    Ich sprang auf, um die Wohnung zu fegen, fuhr mit einem Lumpen über den Arbeitstisch und bemühte mich, etwas Ordnung hineinzubringen. Ich duschte mich blitzschnell, parfümierte mich mit einem Aftershave, das sie mir geschenkt hatte, und im gleichen Moment war energisches Klopfen an der Tür zu hören.
    »Das ist das Zimmer?« Sie musterte es mit ihrem scharfen Blick.
»Und was macht die Katze hier? Raus mit dir, husch!« Sie schwang ihren Fuß vor Gruschkas Nase. »Schrecklich klein. Du brauchst eine große, gepflegte

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