Jasmin - Roman
jetzt gerade unter einem Straßenkater. Vor ein paar Tagen hatte ich neben dem Haus einen Kater gesehen, der ein Weibchen verfolgte, und als er es eingeholt hatte, stürzte er sich mit einem kreischenden Jaulen auf sie, packte sie mit den Zähnen am Hals und warf sich über sie. Sie fauchte und versuchte zu entkommen, als fürchtete sie, er würde ein scharfes Messer in sie rammen … Wo war Gruschka, fragte ich mich beunruhigt, doch die Straße lag still da.
Ich betrat mein kleines Appartement, rollte mich in eine Decke und lauschte dem Regen, der wütend an das große Fenster prasselte. Das Telefon klingelte. Das war sicher Michelle, die mir Vorwürfe machen wollte, weil wir in einer solch kalten Nacht in getrennten Betten schliefen.
»Ich teile hiermit mit, dass ich die Doktorarbeit fertig habe und wieder ins Leben zurückkehre. Nächste Woche bin ich regelmäßig
an der Kasse im al-Hurrije, Euer Wohlgeboren sind eingeladen«, verkündete Jasmin mit heiterer Stimme.
»Seine Wohlgeboren harren ungeduldig auf den Augenblick, Sie zu sehen, gesegnet sei die Zurückgekehrte«, erwiderte ich und schlief mit einem Lächeln im Herzen ein.
Zwei Tage später fuhr ich Michelle zum Flughafen. Unterwegs überreichte ich ihr eine Platte von Amalia Rodriguez und eine Brosche, die ich bei einem armenischen Händler in der Altstadt gekauft hatte.
»Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme«, sagte sie niedergeschlagen.
»Ich bin da, ich habe kein anderes Zuhause.«
Vom Flughafen aus fuhr ich direkt zum al-Hurrije, wo Umm George an der Kasse saß: »Tafaddal, Jasmin ist in Jericho. Sie hat gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie am Abend zurückkommt.«
Schamluk saß an dem von Jasmin und mir bevorzugten Ecktisch. Er winkte mir zu, und ich gesellte mich zu ihm.
»Deine anmutige Gazelle treibt sich zu viel mit dem Bischof herum«, sagte er. »Die Hände dieses Mannes stecken tief in Glücksspielen, und er ist hinter schönen Frauen her. Er organisiert Demonstrationen gegen uns und sagt den Arabern aus den Gebieten, die bei uns arbeiten, dass sie mithelfen, das dritte Königreich Israel aufzubauen.«
»Der Bischof hilft ihr, ein therapeutisches Dorf für die Jugend in Abu Dis zu errichten«, erwiderte ich.
Schamluk betrachtete mich mit dem geringschätzigen Blick, mit dem er normalerweise Herrn Charisch vom Religionsministerium anstarrte. »Das ist ein Vorwand, reine Tarnung.«
Am Abend kam ich wieder in das Restaurant. Die Kanarienvögel am Eingang empfingen mich fröhlich wie einen alten Bekannten. Umm George war aus irgendeinem Grund kühl. »Jasmin
ist noch nicht zurückgekehrt, sie ist beim Bischof. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Ich blieb und wartete. Es verging eine Stunde. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, überlegte, ob ich nicht gehen sollte, doch da kam Jasmin herein wie ein Geist, in eine Wolke von Kummer gehüllt, mühsam atmend wie jemand, der sich in großer Seelenpein befindet. Sie legte ein großes Paket an der Kasse ab, und als sie mich entdeckte, lächelte sie traurig: »Oh, Sie sind da.« Sie ließ sich auf den Stuhl fallen: »Ich bin so müde, ich komme mir vor wie ein ausgewrungener Putzlappen.« Ich wollte zärtlich ihre Hand berühren, den Schmerz in ihren Augen in mich aufnehmen. Als ich mich erhob, stand sie auch auf. »Sie gehen schon, schade. Rufen Sie doch morgen an. Verzeihen Sie mir«, sie bemühte sich um ein entschuldigendes Lächeln.
Draußen war es finster und kalt. Peitschender Regen ergoss sich in heftigen Strömen. Der Wind beutelte die Wedel der mageren Palme, die am Rande des Viertels stand, eine betagte Zypresse knickte ein und beugte sich über den Bürgersteig. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Ich grübelte über Jasmin nach. Nie hatte ich sie so gebrochen und deprimiert gesehen. Was war geschehen?
34.
DIE LEIDEN DER EINGLIEDERUNG: CHIZKEL
Die Beschäftigung mit Chizkels Eingliederung hatte gerade erst begonnen, und schon stahl sie mir das wenige an Freizeit, das mir blieb. Michelles Briefe lagen unbeantwortet vor mir, und als ich Jasmin anrief, gelang es mir nicht, auch nur ein einziges kurzes Treffen zu verabreden. Sie hörte sich distanziert an, hatte es eilig, das Gespräch zu beenden. Was war mit ihr passiert?
Diesen Morgen hatte ich vor, mit Chizkel im Eingliederungsbüro für Einwanderer vorstellig zu werden. Es empfing uns eine mollige, liebenswürdige Angestellte. Sie schrieb ihn in einen Hebräischkurs für Fortgeschrittene im Ulpan
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