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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Ezion ein und riet ihm abzuwarten, bis die Stellung der Zionsverfolgten aus der Sowjetunion geregelt worden wäre. »Man vergrößert ihre Privilegien«, erklärte sie. Er blickte sie verständnislos an, doch ihr Blick besagte, dass sie es gut meinte. »Und inzwischen bereiten Sie die Papiere vor«, instruierte sie ihn.
    »Welche Papiere?«, fragte er.
    »Das Urteil vom Gericht und Zeugenaussagen, dass Sie dort wegen Israel unter Verfolgung zu leiden hatten …«
    »Zeugen? Na gut, dann schreiben Sie bitte auf: Schalom Zalah und Jussef Bazri, beide hingerichtet, Abu Zalah al-Chibaz, mein Schüler und Untergebener, der im Keller seiner Bäckerei Waffen zur Verteidigung von Juden versteckte und die ›Hatikwa‹, die israelische Nationalhymne, sang, bevor er hingerichtet wurde …«
    Die Angestellte riss die Augen auf, und Chizkel bremste sich, um nicht in die Gefilde des Schreckens zurückzukehren, denen er gerade entkommen war. »Tut mir leid«, sagte sie nüchtern, »so sind die Vorschriften.« Sie blinzelte und drehte den Bleistift in
ihrer Hand, als bemühte sie sich, eine Lösung zu finden. »Warum gehen Sie nicht zur Vereinigung der Babelimmigranten? Es gibt dort Leute aus der zionistischen Bewegung, sie werden Ihnen Empfehlungsbriefe ausstellen«, schlug sie dann vor, als hätte sie mindestens Amerika für uns entdeckt, und reckte den Kopf wie eine Giraffe. Chizkel runzelte die Stirn, als bäte er um eine weitere Erklärung, doch als er an ihrem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck erkannte, dass von ihr nichts weiter zu erwarten war, erhob er sich vom Stuhl und humpelte mit seinem verletzten Bein hinaus.
    »Komm, mein Sohn, wir gehen, lass uns Luft schnappen«, sagte er niedergeschlagen. Vom Parkplatz aus zeigte ich ihm den Platz mit den Regierungsgebäuden, die Büros von Eschkol und Sapir und den Sitz der Knesset.
    »Vielleicht fahren wir zu Ustad Nawi«, unterbrach er mich. Nawi war der Anführer der zionistischen Untergrundbewegung im Irak gewesen, und ein Lehrer, dem Chizkel auch als Schüler verbunden gewesen war. »Eine ausgezeichnete Idee«, stimmte ich zu und ging kurz am Büro des amtierenden Ministers im nächsten Gebäude vorbei, um Levana mitzuteilen, dass ich nach Tel Aviv fuhr.
     
    Wir erreichten das Haus des Arbeiterkomitees in der Arlozorovstraße. Chizkels Größe schien zu schrumpfen neben diesem Kreml der Gewerkschaft, einem vielgeschossigen, riesigen Gebäude, das seine ganze Umgebung dominierte. Wir schritten durch das eiserne Tor und überquerten den weitläufigen Rasenvorplatz.
    »Hier ist sein Büro?«, fragte Chizkel bestürzt.
    An der Information fragte ich nach der Eingliederungsabteilung für irakische Einwanderer. Der Angestellte hob die Brauen: »Entschuldige, Genosse«, mit Betonung auf Genosse, »gibt es irakische Immigranten? Ich dachte, sie seien alle schon da!?«
    »Wir suchen Ustad Nawi.«
    »Wen? Osnawi? Seid ihr sicher, dass er hier arbeitet?«

    »Ustad Nawi, zwei Wörter, heißt Professor Nawi, mein Herr.«
    »Hier gibt es keine Herren und keine Professoren, hier gibt es Genossen. Alle sind Genossen«, und er blätterte in einem dicken Heft. »Vielleicht meinst du den Genossen Nawe.«
    »Hat er seinen Namen geändert?«, fragte Chizkel.
    »Er hat ihn nicht geändert, er hat ihn hebräisiert, Genosse. Der Genosse Ben Gurion hat festgelegt, dass öffentliche Beauftragte ihren Namen zu hebräisieren haben.« Er betonte jeden einzelnen Buchstaben. »Also, der Genosse Nah-weh«, summte er und wiegte seinen Kopf, »der ist unten, im Kellergeschoss, rechts am Ende dort.«
    Chizkel richtete sich zu voller Größe auf, bemühte sich, sein Hinken zu kaschieren, und ging mit gemessenen Schritten neben mir her. Ich hatte viel über Ustad Nawi gehört, einen Schriftsteller, der die Bibel, Mendele Mocher Sfarim und Brenner ins Arabische übersetzt und die jüdische Schule geleitet hatte. Gleich bei seiner Ankunft in Israel hatte er sich der Arbeiterpartei Erez Israels, der ruhmreichen Mapai, angeschlossen. Er hatte weitreichende politische Ambitionen, glaubte, es sei ihm bestimmt, der Erziehungs- und Kulturminister des Staates Israel zu werden. Es erübrigt sich festzustellen, dass ihm das nicht gelang. Nach vielen Mühen verschafften ihm seine Schüler einen Posten als Leiter der sozialen Eingliederungsabteilung von Irakimmigranten in der Gewerkschaft. Vor ungefähr achtzehn Jahren, als er in Israel angekommen war, war er in unser Zelt im Übergangslager gekommen, um ein

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