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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Blick und wandten uns wieder unserer Beschäftigung zu, sie dem Gläserspülen und ich dem Abtrocknen.
     
    Ihr aufopfernder Einsatz für die Gründung eines Jugenddorfs in Abu Dis beeindruckte mich. Ohne ihr ein Wort davon zu sagen, wandte ich mich an meinen Büronachbarn Soli Levi, den Grundstücksverwalter Israels, und erbat seine Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück für das Jugenddorf. Er erzählte mir wieder von seinem Vater, der der Stadtingenieur zur Zeit des Bürgermeisters Naschaschibi gewesen war, jenes Bürgermeisters, der mit einer Jüdin verheiratet war, breitete Karten aus, prüfte und deutete auf zwei geeignete Grundstücke, und danach brachen wir auf, um sie vor Ort zu besichtigen. Herr Levi bat, dass Jasmin mitkäme und den ihr genehmen Bauplatz aussuchte, und versprach, sich um die Genehmigungen zu kümmern. Ich war überglücklich. Endlich konnte ich etwas für sie tun. Ich rannte
sofort los, um es ihr zu erzählen, doch statt sich zu freuen, knabberte sie an ihren Fingernägeln und scharrte mit ihrem Absatz auf dem Boden:
    »Danke. Ich möchte keine Hilfe von euch, das könnte schaden.«
    Das fuhr mir wie ein Dolch in den Leib.
    »Seien Sie nicht beleidigt, das ist nicht persönlich. Ich weiß es sehr zu schätzen, was Sie getan haben, aber … das Leben ist kompliziert.«
    Sie ist verrückt, sagte ich mir im Stillen.
     
    Im Gegensatz dazu ließ ihre Abneigung gegen den Westteil der Stadt nach, und sie begnügte sich nun nicht mehr mit der direkten Fahrt ins Jugenddorf, wie ein Pferd mit Scheuklappen, sondern begann sich hier und dort umzusehen. Einmal wollte sie ins Israelmuseum gehen, um die Ausstellung eines chinesischen Malers zu sehen, ein andermal wollte sie ins Anna-Ticho-Haus, um das schöne Gebäude zu besichtigen. Einmal bat sie darum, das Café Atara in der Ben-Jehuda-Straße aufzusuchen und beim nächsten Mal das Savyon neben dem Terra-Sancta-Kloster. Ich begleitete sie überallhin, und nicht weniger als ihre Gesellschaft genoss ich die Blicke der Passanten, die ihre Schönheit bewunderten.
    Eines Tages äußerte sie den Wunsch, im Chez Simon zu essen. Es erübrigt sich zu bemerken, dass ich kein einziges Wort von den Gerichten auf der Speisekarte verstand, doch sie leitete mich mit Sicherheit durch das Labyrinth der fremdländischen Namen. Die Frauen in meinem Leben machten mich, den Zögling des Immigrantenlagers und Katamonbewohner, fast zu einem Stammgast in Luxuslokalen, und was Michelle ausgelassen hatte, vervollständigte Jasmin. Am Schluss der Mahlzeit bestand sie darauf zu bezahlen. Mir war das peinlich, doch man konnte Jasmin nicht standhalten, wenn sie etwas durchsetzen wollte.
    Eines Abends schlug ich ihr vor, im YMCA Kaffee zu trinken.
Wir durchquerten langsam den dunkelnden Stadtpark, und nach dem Kaffeetrinken stiegen wir ins oberste Stockwerk des vornehmen Gebäudes und von dort aufs Dach. Dort standen wir, mutterseelenallein, und blickten um uns. Die gelblichen Lichter über der Altstadtmauer, die Türme der Moscheen und Kirchen und die Wipfel der erst kürzlich gepflanzten Palmen erhoben sich gegen den Horizont und verbreiteten einen geheimnisvollen Zauber.
    »Wie schön das ist. Mein Vater hat mich hierher gebracht, als ich ein kleines Mädchen war.«
    »Ich hatte nicht das Geld, um Mitglied beim YMCA zu sein, und ich bin nie aufs Dach gestiegen, um hinunterzusehen. Aber ich habe mich in das Gebäude eingeschlichen, um im Winter Hausaufgaben zu machen, denn es gab eine Heizung, und es war warm, doch ich hatte die ganze Zeit Angst, dass sie einen Mitgliedsausweis von mir verlangen und mich hinausjagen würden.«
    Die Jerusalemer Abendbrise wehte übers Dach. Ich drückte mich an Jasmin, und sie lehnte sich an meine Schulter. Ihre Brüste vibrierten, und ihre Nasenflügel weiteten sich, als saugten sie den Blütenduft der Orangenhaine ein. Lange Zeit standen wir so da und lauschten der Stille.
    Danach fuhr ich sie nach Hause. Sie stieg still aus dem Auto, schweigend winkten wir einander zum Abschied, wie zwei Spione, die sich vor der Tücke des Schicksals in Acht nehmen.
     
    In den darauffolgenden zwei Tagen sah ich sie nicht, und sie rief auch nicht an. Sie war nach Jericho gefahren, so sagte man mir im al-Hurrije. Ich sehnte mich und verzehrte mich nach ihr wie ein Jüngling nach seiner ersten Liebe. Jasmin versetzte mich in eine jugendliche Erregung, als hätte ich keine Frauen vor ihr gehabt.
    Mit ihrer Rückkehr aus Jericho begann ein neuer

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