Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
Werk verrichten …«
    »Ein arabisches Sprichwort sagt: ›Das Kind ist nicht von uns, doch seine Kacke beschmutzt unsere Kleider …‹«
    »Ah … Sie und Ihre arabischen Gleichnisse. Was ist schlimm daran, wenn wir die Dichte dort ein wenig ausdünnen?« Und damit stand er auf zum Zeichen, dass die Unterredung beendet war.
    Ich verließ das Zimmer mit bleischweren Füßen.
    Was hatte ich erwartet? Dass er ein Albert Schweitzer sein würde?

36.
    GHADIRS TOD
    Ghadir wurde am Fuße des Har Hazofim ermordet, auf dem Felsen, auf dem sie zu sitzen pflegte, umringt von ihrer Schafherde. Eine arabische Einheimische, offenbar ihre Nachbarin, erwartete mich bei meinem Eintreffen im Büro mit der erschütternden Botschaft. Ich meldete es der Polizei, und dann ging ich hin. Ihre zerfetzte Leiche lag noch auf dem Stein, wehrlos unter dem weiten blauen Himmel, versengt in der heißen Sonne und mit schwarz verkrustetem Blut bedeckt. Wer hatte sie ermordet? Ihr Mann? Ihr Vetter Karim? Ihr Vater? Oder vielleicht alle drei zusammen?
    Ich konnte nicht arbeiten. Ich teilte mit, dass ich mir ein paar Tage Ruhe gönnte, legte das Telefon still und schloss mich zu Hause ein. Ich lag auf dem Bett. Die Rollläden blieben geschlossen. Warum hatte ich sie nicht gerettet?
    Einige Tage später klingelte es schrill an der Wohnungstür, und jemand klopfte heftig. Der Postbote. Er brachte mir ein Einschreiben von der Einkommensteuer. Am Nachmittag darauf klopfte wieder jemand an die Tür, zwar taktvoll, doch ohne nachzulassen, bis ich öffnete und Levana, die Büroleiterin, vor mir erblickte. Ich stand ihr unrasiert und zerzaust, in einer verschwitzten Schlafanzugjacke gegenüber. Ich verstand nicht, weshalb sie gekommen war. Das Zimmer stank nach Rauch, die Küche war ein Schlachtfeld. Sie betrachtete mich mit ihren hellen Augen und legte wortlos eine Zeitung mit dem Foto eines befleckten Felsens auf den Tisch. Ich entsann mich, dass ich ihr unlängst, als ich nach einer Auseinandersetzung mit Haramati erregt ins Büro des amtierenden Ministers gekommen war, von
Ghadir erzählt hatte. Offenbar hatte sie den Zusammenhang hergestellt.
    Levana öffnete sämtliche Fenster und die Balkontür, krempelte die Ärmel auf, spülte die Gläser mit den eingetrockneten Kaffeeresten und räumte die Wohnung auf, als würde sie sie seit jeher kennen. Sie saß lange bei mir, schweigend, fragte nicht, weshalb ich mich in die Abgeschiedenheit zurückgezogen hatte. Auch ich schwieg. Was konnte ich sagen? Danach ging sie hinaus. »Ich bin gleich zurück«, sagte sie, und bei ihrer Rückkehr hatte sie alle Hände voller Lebensmittel aus dem Laden nebenan.
    »Isst du mit mir zu Abend?«, fragte sie und deckte den Tisch.
    Ich nickte.
    »Nuri, komm wieder zur Arbeit. Man braucht dich.«
     
    »Sie sind blass«, sagte meine Sekretärin Alisa, als ich ins Büro kam. Auf meinem Schreibtisch lag ein großer Stapel Post und daneben ein Haufen Zeitungen. Al-Quds berichtete überhaupt nichts über den Mord, al-Watan erwähnte ihn in einer kurzen und allgemeinen Meldung: »Die Leiche einer jungen Frau wurde auf einem Felsen am Fuße des Dschebel Skobos gefunden.« Kein Name, keine Adresse, kein Mordmotiv und nichts über den Mörder, gar nichts.
    Alisa meldete mir auf der internen Leitung: »Haramati möchte Sie sprechen.«
    »Später, ich bin beschäftigt.«
    »Er hat auch gestern und heute früh schon angerufen, erledigen Sie das mit ihm«, sagte sie und stellte das Gespräch durch.
    »Seien Sie mir gegrüßt, mein Lieber. Wie geht es Ihnen? Lange Zeit ist vergangen, seit ich von Ihnen gehört habe. Ich habe Sie auch auf der Stabssitzung gestern nicht gesehen. Ich habe eine gute Nachricht. Wir haben dem Antrag stattgegeben. Ich sage Ihnen, es war eine schwierige Verhandlung. Ich habe mich auf die Hinterbeine gestellt, so wahr ich lebe, ich habe den Mitgliedern der Kommission gesagt, dass wir das Anliegen eines wichtigen
Kollegen nicht zurückweisen können. Ich bat wirklich um einen persönlichen Gefallen. Hören Sie? Vor lauter Verzweiflung hatte sich die Ärmste auch an den Geschäftsführer gewandt. Nun gut, nicht so schlimm, was weiß sie schon von unserem Prozedere? Am Ende habe ich die Mitglieder überzeugt, den Fall zu genehmigen. Wir werden es ihr natürlich offiziell mitteilen, aber ich wollte, dass Sie es als Erster erfahren.«
    »Sie ist ermordet worden.«
    »Was? Wann? Wer hat sie ermordet?«
    »Anscheinend ihr Mann. Sie wollte ihm nicht nach Amman folgen«,

Weitere Kostenlose Bücher