Jasmin - Roman
Ansichtskarten, die sie schickte, beklagte sie sich vage über Einsamkeit und Langeweile, schrieb, dass sie Sehnsucht habe.
Zwischen den Zeilen las ich heraus, dass die Beziehung zu ihrem Verlobten an einem entscheidenden Punkt angelangt war. Um ehrlich zu sein, sie fehlte mir. Ich vermisste die Betriebsamkeit und den Aufruhr, den sie um sich herum entfesselte, mir fehlten ihre Einmischungen, wie sie ihre Nase in mein Leben steckte, der Klatsch, die exquisiten Mahlzeiten, die Art, wie sie mich großzügig verwöhnt hatte, der stets verfügbare Sex mit ihr. In ihrer direkten Art hatte sie mich nach meinen Plänen gefragt, doch ich war ausgewichen. Nie hatte ich in ihr meine zukünftige Frau gesehen.
Ihren Platz im Jugenddorf füllte Jasmin aus, die nun eine volle Stelle einnahm, jedoch auch das ehrenamtlich wie zuvor. Die Behandlung der Kinder und die ihr auferlegte Verantwortung banden sie an den Ort und die Menschen dort, und ich erhielt sogar einen Anruf vom Leiter, der mir für die »gelungene Vermittlung« dankte. Wie üblich war es schwierig, ihrer habhaft zu werden. Als ich sie endlich erreichte, sagte sie: »Ich rufe zurück.« Ich vermeinte, in ihren Worten die unterschwellige Weisung zu hören, »ruf mich nicht an«, wie es die Amerikaner machen. Mein Magen zog sich zusammen, ich fürchtete, sie würde nie anrufen.
Ich sollte mich täuschen. In den Wochen vor Pessach rief sie häufig an, fast jeden Tag, manchmal sogar nur für einen kurzen Austausch während der dicht gedrängten Arbeitszeit. Diese Gespräche, besonders am Abend, wenn wir mehr Zeit hatten und Erlebnisse schildern konnten, wärmten meine Seele, und ich wartete jeden Morgen erneut darauf. Die Gesprächsthemen waren alltäglich, die Frauenzeitschrift, die sie herauszugeben plante, die laufende Arbeit, die Familie und sogar das Wetter. Wir ließen uns auf keine politischen Auseinandersetzungen ein, der Ton war entspannt, vertraut, ja zärtlich.
Eines Tages spazierte ich von meinem Büro nach Scheich Dscharrah, um mich von dem Druck der Arbeit zu erholen und während des Gehens ein wenig Ordnung in meine Gedanken zu bringen, da kam mir Jasmin entgegen, lächelnd und überrascht, mich zu sehen. Ich freute mich unendlich über den glücklichen Zufall, der sie mir beschert hatte. Ich wollte losstürzen und sie in meine Arme schließen, doch ich zwang mich zur Mäßigung. Sie sagte, sie habe im Radio von einem Anschlag auf dem Machane-Jehuda-Markt gehört, und statt anzurufen, habe sie beschlossen, bei mir vorbeizuschauen, um herauszufinden, ob alles in Ordnung sei.
»Wieder Machane Jehuda? Heute ist Donnerstag, stimmt’s? Ich hoffe nur, dass meine Mutter heute nicht auf den Markt gegangen ist«, sagte ich. Zum Teufel noch mal, warum hatten meine Eltern trotz allen Drucks, den Kabi und ich ausgeübt hatten, immer noch kein Telefon! Wir rannten ins Büro, und ich schaltete das Radio ein. Es wurden keine Einzelheiten berichtet. Ich rief beim Generalstab an, und mir wurde gesagt, dass es tatsächlich einen Anschlag in der Agrippasstraße gegeben habe. Ein Falafelverkäufer und ein Postbote, der seinen Kollegen bei der Arbeit vertreten hatte, waren getötet worden, und es gab auch Verletzte. Meine Mutter kaufte in diesem Teil nicht ein, sie hielt sich meistens in der Gasse der Iraker bei der Jaffastraße auf, fern von der Stelle des Anschlags. Ich versuchte, mich zu beruhigen, das Gleiche
war schließlich vergangenen Herbst passiert, als ich wie ein Verrückter zu den Katamonvierteln gerast war.
»Vielleicht sollten Sie nach Hause fahren, um ganz sicherzugehen«, schlug Jasmin vor. »Wenn Sie wollen, komme ich mit.« Ich dankte ihr und nahm ihr Angebot nur zum Teil an. Ich sperrte das Büro zu, fuhr sie nach Hause und jagte wieder zu den Katamonvierteln. Doch glücklicherweise war meine Mutter heute nicht auf den Markt gegangen.
Ganz unmerklich war der Bann gebrochen, mit dem Jasmin mein Büro belegt hatte. Sie kam manchmal vorbei, mit Vorliebe am Ende eines zermürbenden Arbeitstages, und zusammen bereiteten wir eine leichte Mahlzeit zu. Wir standen in der Küche, nahe nebeneinander. Ich hätte sie so gern an der Schulter berührt, ihr Haar gestreichelt, ihren Arm ergriffen, meinen Finger über ihre sichelförmigen Lippen gleiten lassen, doch ich wagte es nicht. Einmal berührte meine Hand zufällig die ihre, und die beiden Hände hielten aneinander fest. Eine vibrierende Hitze durchrieselte unsere Finger. Wir sahen einander an, senkten den
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