Jasmin - Roman
Redner, der seine Feder und Zunge jedem verdingte, der ihn bezahlen konnte. So war er mal Botschafter Syriens in der UNO, mal Assistent des Generalsekretärs der Arabischen Liga und sogar Botschafter Saudi-Arabiens bei der UNO. Nasser erwählte ihn zum Vorsitzenden der PLO, und da stand ich nun vor den Toren seines Büros.
Das Haus hatte fünf Zimmer. Neben den Büroräumen gab es auch ein geschmackvoll möbliertes Schlafzimmer, eine gut ausgestattete Küche sowie ein geräumiges Wohnzimmer mit einem großen Sofa, einem Damaszenertisch und zwei Sesseln. Es sah bequem und hübsch aus, weit über meine Erwartungen hinaus, doch ich schreckte davor zurück. Ich in Schukeiris Büro? Wie konnte ich die Residenz eines so bitteren Feindes betreten?
Herr Levi ahnte wohl meine Gedankengänge: »Schukeiri ist mitten in den Kämpfen geflüchtet, das sind die Büros, die zu unserer Verfügung stehen. Was zögern Sie? Ich habe mir das saudiarabische Konsulat als Niederlassung ausgesucht, hier neben Ihnen.«
Er hat recht, dachte ich, und dieser Ort entsprach zudem genau meinen Bedürfnissen. Wenn ich im Sinn hatte, Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten der anderen Seite zu knüpfen, würde es diesen sicher lieber sein, in ein schönes, abgelegenes Viertel zu kommen, in ein zwischen Bäumen und Diplomatenvillen verstecktes Büro, fern von bösen Blicken. Vielleicht würde es mir hier gelingen, ehrenvolle und offene Beziehungen herzustellen. Und so, statt vor dem drohenden Schatten des vorherigen Bewohners zu fliehen, entschied ich mich dafür, dieses schöne Haus zum Ausgangspunkt für den Neuanfang zu machen. Ein guter Geist wehte damals, eine neue Hoffnung, vielleicht bahnte sich eine andere Ordnung an, vielleicht würde das Land zur Ruhe kommen.
Später versuchte ich, den Moment festzumachen, in dem die Katastrophe ihren Anfang nahm: Wann verschlossen sich die offenen Herzen, wann erlosch der Glanz in den Gesichtern?
War es, als die Bulldozer das Moghrabiviertel überrollten und den Platz vor der Klagemauer, jenes riesige Areal, das den Zugang sichern sollte, im Geist unserer Zeit umgestalteten, was ihn jedoch klein machte und ihn seiner alten, schwermütigen Pracht entkleidete? Oder war es in dem Moment, als der unerfahrene israelische Militärgouverneur den Bürgermeister Ruchi al-Hatib grob anfuhr? Oder als man begann, das Lied »Jerusalem aus Gold« mit dem Zusatz zu spielen: »Wir kehrten an die Brunnen zurück, zum Markt und zum Platz« - als hätte es seit Generationen dort nicht auch andere Menschen gegeben?
Wer ist so klug, das zu erkennen? Wer könnte diesen einen Augenblick bestimmen, ab dem nichts mehr voranging? Vielleicht aber hat es diesen Augenblick nie gegeben, vielleicht gab es davor weder Akzeptanz noch Hinnahme, sondern bloß eine Zäsur nach dem Schock der Niederlage? Oder vielleicht hegten und pflegten sie weiterhin, parallel zu unserer Euphorie, die alte Feindseligkeit, den brennenden Neid und die Unduldsamkeit sowie auch ihre natürliche Wut über den Raub ihres Grund und Bodens? Hat sich all das im Verborgenen wie bösartige Zellen ausgebreitet, die den Körper auszehren und nur ein ausgebranntes Skelett übrig lassen?
In der Besprechung bei Teddy Kollek, dem israelischen Bürgermeister, versuchte ich, wie oft zuvor, sein Wesen zu begreifen - ein gut aussehender Mann, bezaubernd und eigenwillig, mit großem Charme und Einfluss, dem sich die Türen und die Herzen auftaten. Tatendurstig, ungeduldig und selbstbewusst, brannte er darauf, die beiden Städte miteinander zu verbinden, die Seite an Seite lagen und dennoch durch einen Abgrund getrennt waren.
»In Wien«, sagte er, »gab es Tschechen, Ungarn, Slowenen und weitere Minderheiten, aber alle fühlten sich als Wiener.«
»Aber hier ist der Orient und nicht Europa, und wir haben es mit Arabern zu tun, nicht mit Tschechen, Ungarn und Slowenen«, betonte Haramati vom Innenministerium.
Der Bürgermeister schenkte ihm einen strengen Blick und ging dazu über, Erleichterungen für die arabische Bevölkerung zu diskutieren, die Jerusalem vor kurzem zugewachsen war. Es war ihm anzusehen, dass er sich in einer Zwickmühle befand. Einerseits wollte er ein aufgeklärter Besatzer sein, ein Wohltäter, andererseits wollte er nichts ohne Gegenleistung zugestehen.
»Bei den Erleichterungen, die Sie erwägen, übersehen Sie einen Punkt, den man sich auch ins Gedächtnis rufen muss«, widersprach einer der Anwesenden seiner Haltung. »Die Araber
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