Jasmin - Roman
denken nicht, dass man ihnen etwas schenkt, wenn man ihnen einen Teil von dem zurückgibt, was ihnen gehört hat.«
»Mein teurer Freund, es ist unmöglich, das Rad zurückzudrehen«, seufzte Teddy Kollek.
Nach Ende der Sitzung beim Bürgermeister eilte ich zum Rechaviaviertel, zu meinem alten Lehrer, Professor Schadmi. Er öffnete mir selbst die Tür zu seiner großzügigen Wohnung, Duft nach Gebäck hing in der Luft. Das Appartement bestand aus zwei Einheiten, eine diente als Wohnbereich, und die zweite enthielt eine riesige Bibliothek und ein Arbeitszimmer. Jedes Mal, wenn ich hier hereinkam, meinte ich einen Palast zu betreten. Tausende Bücher in allen Sprachen standen in den hohen Regalen, alt und neu, dick und dünn, dicht aneinandergedrängt. Mir kam es immer vor, als müssten die Regale unter der Last der Weisheit irgendwann in die Knie gehen, nicht, weil ich eine Anhäufung von Büchern als Beweis für große Weisheit verstand, sondern wegen ihres Besitzers, dessen Klugheit sie spiegelten.
Der Professor empfing mich herzlich, umarmte mich und gratulierte mir zu meiner Ernennung, stieß sogar mitten am Tag mit einem Gläschen mit mir an. Er erzählte, dass er sofort nach Kriegsende in meinem Büro angerufen hatte.
»Man sagte mir, dass Sie wohlauf seien, und ich war beruhigt. Danach las ich in der Zeitung, dass Sie die neue Aufgabe erhalten haben, und es freute mich, dass ich bei Ihrer Wahl des Orientalistikstudiums meine Hand mit im Spiel hatte.«
»Eine neue Welt bringt eine neue Aufgabe mit sich, oder nicht?«, versuchte ich ein wenig geistreich zu sein. »Und was wird nun?«, richtete ich dann die alte Frage an ihn, von vornherein sicher, dass seine Antwort in jedem Fall originell und erhellend ausfallen würde.
»Was ich zu sagen habe, wurde zum Teil bereits gesagt, und meine Antwort wird teilweise eine Art Zitat sein. Sir Arthur Wokop, der britische Hohe Kommissar im Lande in den dreißiger Jahren, verglich seine Aufgabe mit der eines Menschen, der auf zwei Pferden reitet: Das eine ist energisch, kräftig und leistungsstark, das andere langsam, verträumt und unsicher. In dieser Hinsicht hat sich die Situation nicht grundlegend verändert. Auch heute sind die Pferde nicht auf einer Linie. Andererseits spüre ich momentan eine gute Strömung zwischen den zwei Stadtteilen des nunmehr verbundenen Jerusalem. Vielleicht verwirklicht sich endlich unser Traum von einem Leben befruchtender und nützlicher Kooperation statt der gegenseitigen Zerstörung. Eine Seite wird die Moderne, die wissenschaftliche Objektivität, die Rationalität und das Streben nach Frieden einbringen und die andere den Glanz der prachtvollen Vergangenheit und die ideologisch-religiöse Wurzel. Ich würde gerne glauben, dass uns eine große gnädige Stunde vergönnt ist, dass wir die Chance eines Jerusalems der Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Gebete vor uns haben, eine Hoffnung, ein Lichtblick. Man darf diese Stunde nicht ungenutzt lassen.«
»Glauben Sie, wir werden einen Frieden erreichen?«
»Oh, das ist kompliziert. Heute wäre ich schon glücklich, wenn nur das Töten aufhörte, wenn es uns gelänge, wenigstens eine partielle Zusammenarbeit zu erreichen, aber ein Frieden erscheint mir momentan nicht realistisch. Die Araber sind ein
stolzes Volk. Nach einem solchen Versagen werden sie keinen Frieden schließen«, stellte er fest.
Ich rief im Büro an, um etwas zu klären. Levana ließ mich, ganz gegen ihre sonstige Art, nicht ausreden und bat mich, sofort zu kommen, es gebe eine wichtige Angelegenheit, nichts fürs Telefon. Ich eilte zum Büro meines Ministers.
»Gut, dass du angerufen hast!«, rief Levana. »Ich wusste nicht, wie ich dich erreichen sollte. Der Ministerpräsident macht einen Besuch in der Altstadt, und der Minister möchte dich dabeihaben. Geh hinunter und warte auf seinen Wagen.«
Im Auto war es heiß, wie damals vor ungefähr zwei Jahren in Nazareth, als ich Eschkol auf einem Besuch dorthin begleitete. Damals hatte mich Levana gerufen, damit ich ihr bei den Vorbereitungen des ersten Besuchs eines israelischen Ministerpräsidenten in der großen arabischen Stadt in Israel half.
Der Amtschef war, damals wie heute, ein kleingewachsener, bebrillter Mann mit einem Lächeln auf den Lippen. Er schrieb seine Aufgabenliste immer in winziger Handschrift auf kleine Zettelchen, als versuchte er, die Tagesordnung eines gesamten Staates auf ein einziges Stückchen Papier zu pressen, und während er las,
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