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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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entgegen, als sie aus dem Flugzeug stiegen. Der Geruch klebte in der Nase, legte sich auf Gesicht und Haare, Kleider und Gegenstände. Kabi befürchtete, dass er ihn nie wieder loswerden würde. Es war der Geruch des Gases der riesigen Raffinerien von Abadan. Da die Feuchtigkeit die Verdunstung verhinderte, stand er wie eine klebrige Teigmasse in der Luft. Den Kontaktmann schien der grauenhafte Gestank nicht zu beeinträchtigen, und Kabi wusste nicht, was er von ihm halten sollte, von diesem sonderbaren, rätselhaften Mann. Er wollte allein sein, sein Schicksal beklagen, das ihn an diesen Ort verschlagen hatte, zum Teufel noch mal. Wie sollte man diesen Geruch, die Feuchtigkeit und diese höllische Hitze ertragen? Sein Begleiter begann mit einem weiteren Vortrag im Plauderton, diesmal über das Wetter. Kabi hätte ihn gerne zum Schweigen
gebracht, wagte es jedoch nicht. Sie nahmen ein Taxi und fuhren direkt zu einem Autoumschlagplatz, wo sie einen gebrauchten Jeep kauften.
    Während der ganzen Strecke nach Chorramschahr summte der Kontaktmann traurige persische Lieder vor sich hin. Die Hitze wurde immer drückender, und Kabi erinnerte sich an die Worte, die jemand vor seiner Abreise nach Teheran zu ihm gesagt hatte: »In dieser Gegend gibt es Tage, an denen die Temperatur auf sechzig Grad steigt, der Asphalt schmilzt auf den Straßen, und es scheint einem, als sei das Ende der Welt gekommen.«
    Die Landschaft war Kabi vertraut, Palmen in Hülle und Fülle, Alleen ohne absehbares Ende, Fellachen, die die Felder bewässerten, mit bis zum Gürtel geschürztem Gewand in den Wasserkanälen standen und in dem schlammigen Löss gruben.
    »Das sind die ›Me’idije‹, irakische Araber, die ihren eigenen Dialekt sprechen und an der Grenze, in den Sümpfen wohnen. Diese Menschen sind dein Rohmaterial, aus ihnen wirst du die Ziegel machen«, erklärte ihm der Kontaktmann. Und dann legte er seine Hand auf Kabis Schulter, blickte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal: »Du siehst aus wie sie. Es wird dir nicht schwer fallen, dich in die lokale Szenerie einzupassen, und alles wird sich fügen.« Die letzten Worte sagte er auf Hebräisch.
     
    Neben einem großen einstöckigen Haus hielten sie. Ein Mann mit Kafija öffnete die Tür und küsste ihn brüderlich, und die beiden tauschten weiter Begrüßungen in irakisch-muslimischem Arabisch aus, das Kabi gut beherrschte.
    Nachdem sie sich im Wohnzimmer niedergelassen hatten, servierte ihnen ein Knabe Tschai und Zuckerwürfel. »Amir Abbas Mahmud ist mein neuer Partner hier in Chorramschahr. Betrachte ihn bitte als Familienangehörigen«, sagte der Kontaktmann.
    »Bei meinem Leben und meiner Verantwortung«, erklärte der Hausherr und wandte sich an Kabi: »Sind Sie Schiite?«

    Kabi nickte.
    »Ja Ali«, rief der Gastgeber den Namen des heiligen Imam an und führte sie in eine benachbarte Wohnung mit zwei bescheiden möblierten Zimmern. Er zeigte ihnen die Räumlichkeiten und beschwor Amir Abbas Mahmud, sich nicht zu scheuen, um etwas zu bitten, falls er etwas brauche.
    Kabi strich mit einem Finger über den Schnurrbart, den er sich von dem Moment an hatte wachsen lassen, in dem ihm gesagt worden war, dass er an die Grenze zum Irak geschickt würde, und brachte seine zwei Koffer in die Wohnung. Mit dem Kopf war er schon bei seiner Aufgabe. Wie würde er Agenten lokalisieren, wie Schmuggler finden, die Beziehungen zur Armee hatten, zum CID und zu den Hintertreppen des irakischen Regimes? Auf den ersten Blick erschienen ihm alle gleich, schlichte Muslime mit Pantinen und Kafijas. Die Hitze und die Feuchtigkeit erschöpften ihn.
    »Gehen wir Tee trinken«, lud der Kontaktmann Kabi in ein Tschaichane ein, ein dunkles Teehaus, in dem Schemel um niedrige, rohe Holztische standen, wie in den einfachen Teehäusern im Irak. Kabi betrachtete die großen, kupfernen Samoware, neben denen Kohlehäufchen lagen und oben drauf die Kännchen mit dem Teekonzentrat, und er freute sich, als träfe er alte Bekannte. Sie steckten Zuckerwürfel in ihren Mund, tranken scharfen, aromatischen Tee aus dünnen Gläschen, rauchten Wasserpfeife und spielten Machbus, ein Spiel, das Übung, Raffinesse und Geduld erforderte. Der Kontaktmann spielte fintenreich, voll überraschender Züge, und verlor trotzdem zwei Spiele hintereinander. Kabi dachte, dass es nicht gerade höflich war, seinen Gastgeber zu besiegen, doch er wollte nicht vorsätzlich verlieren, denn der schlaue Mann hätte es wahrscheinlich

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