Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
Licht, Feuer. Du bist ein Spion. Von ihnen oder von uns?« Sie scherzte jetzt. Ich lachte und fragte sie nach ihrem Namen.
    »Ghadir.«
    »Ghadir ist ein Bach, ein schöner Name, klingt wie fließendes Wasser in Felsspalten.«
    »Bach und Feuer, Wasser und Sonne, ja salam, wie schön!«, lächelte sie mit blitzenden Zähnen.
    Zweimal täglich, am Morgen und am Abend, tauchte sie auf, einmal von Osten mit einem weißen Strohhut, den Kopf hoch erhoben wie eine britische Lady, und einmal von Westen mit einem Kopftuch, das die Schönheit ihres rätselhaften Gesichts hervorhob, und immer mit ihrer Herde. Die Schafe und Lämmer sprangen um sie herum, blökten wild durcheinander, gehorchten aber ihrem Hirtenstab wie ein Chor dem Taktstock des Dirigenten. Hin und wieder kam sie mit einem Korb voller Gemüse, und einmal in der Woche übergab ich ihr die Bezahlung.
    »Wollt ihr vielleicht auch Ziegenmilch, frische Eier?«, bot sie eines Tages an.
    »Ich werde fragen und es dir sagen.«
    Sie hob einen Stein auf und warf ihn provozierend in meine
Richtung, sandte mir einen Blick aus grün gesprenkelten Kohlenaugen. Ihre stolze, aufrechte Haltung, das Gewand, das sie völlig bedeckte, und ihre lebhafte Ausstrahlung eroberten mein Herz. Mich hatten schöne Frauen, die von Kopf bis Fuß verhüllt waren, immer verzaubert. Ich spürte ein Geheimnis, das zehnmal mehr reizte als die demonstrative Blöße der Frauen um mich herum. Plötzlich wurde sie ernst und wandte sich zum Gehen.
    »Vielleicht bleibst du noch ein bisschen?«, bat ich.
    »Es wird gleich Nacht«, lächelte sie betörend schelmisch.
    »Die Dunkelheit ist schön für eine Unterhaltung.« Ich ließ nicht locker.
    »Ich muss«, schüttelte sie den Kopf und ging.
    Am Morgen des nächsten Tages stieg Dunst vom Toten Meer auf und warf sich zu Füßen des Sonnenaufgangs, bis er den weißen Lichtstrahlen weichen musste. Ein Frühlingstag. Die Vögel waren außer Rand und Band, und der Berg floss über vor Grün und wilden Blumen, ein hinreißendes, erregendes Farbengewirr, man konnte sein Herz in den Ohren pochen hören. Und sie war nicht da. Ich wartete weiter am Stacheldrahtzaun. Als endlich die Herde eintraf, tauchte auch sie aus dem Buschwald auf, anmutig und schelmisch.
    »Ich höre das Lied der Wüste, es ist heiß wie die Klänge der Flöte.« Sie begann ihren Körper biegsam zu winden.
    »Ja madschnuna, du verrücktes Ding, welche Musik hörst du?«
    »Hör gut hin, dann hörst du sie auch«, sagte sie. »Ich war mit meiner Mutter am Toten Meer, dort, siehst du?« Sie fuhr fort zu tanzen und deutete auf das Tal, das blau im Sonnenaufgang glänzte. »Jüdischer Soldat, ich will dich etwas fragen, ist Jaffa schön?«
    »Sehr!«
    »Und das Meer dort?«
    »Schön!«
    »Meine Mutter weigert sich, ins Tote Meer einzutauchen, sie will nur ins Meer von Jaffa.«

    »Wenn es Frieden gibt, nehme ich dich und deine Mutter zum Meer bei Jaffa mit«, versprach ich.
    »Lügner, du bist wie alle Soldaten. Kommen für zwei Wochen und verschwinden«, lächelte sie und wiegte sich hin und her wie die Feldblumen im Wind.
    Am Nachmittag kehrte sie mit hauchdünnen Fladen in der Hand zurück. Ich biss in den weichen Teig. Sie ergriff ihren Hirtenstab, näherte ihn ihrem Bauch und begann, die Strophe eines Liedes zu trällern:
    »Was weckt die Liebe,
    die Augen oder das Herz?«
    »Die Augen«, sagte ich. Sie schüttelte verneinend den Kopf.
    »Das Herz.« Wieder schüttelte sie den Kopf.
    »Beides«, versuchte ich es noch einmal wie ein Kind, das falsch geraten hat. Sie schüttelte zum dritten Mal den Kopf und lächelte mit ihren Kohlenaugen.
    »Der Geruch! Der Geruch ist wie die Liebe, flüchtig und blühend«, sagte sie schließlich, hob ein weißes Zicklein hoch und streichelte seinen Kopf. »Erzähl mir von deinem Leben«, bat sie.
    Ich erzählte ihr also etwas.
    »Wasser und Licht, Bach und Sonne«, sagte sie tränennass.
    »Schöne Gazelle, worüber weinst du?«
    »Worüber weint ein Mensch?«
    »Ana aref, weiß ich es?«
    »Über sich selbst.«
    »Und worüber lacht der Mensch?«, fragte ich.
    »Über sich selbst, wenn er klug ist, und über seinen Nächsten, wenn er dumm ist, wie meine Mutter sagt«, erwiderte sie, und das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. »Ach, du liebe Zeit«, erschrak sie, »die Nacht kommt, was mache ich hier? Sie werden mich umbringen«, und sie drehte sich um, hob einen Stein und warf ihn weit den Hang hinunter, warf noch einen und noch einen und

Weitere Kostenlose Bücher