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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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gemerkt.
    »Wie arbeitet man hier?«, fühlte Kabi vor.
    »Geld und Frauen. Manchmal auch Männer, und hauptsächlich Knaben und Kinder. Und lass dich bei diesem Thema nicht täuschen wie Amram und diese Europäer. Es geht nicht um einen
Mann, der mit einem anderen Mann zusammenlebt, sondern um einen Mann, der es liebt zu vögeln, Männer wie Frauen gleichermaßen, und am besten ist ein junger, schöner Hintern …«
    »Und Ideologie? Andere Motive?«, fragte Kabi ernst.
    »Keine Ideologie und kein Allah, sondern das, was ich dir sagte.«
    Der Kontaktmann signalisierte dem Kellner, eine weitere Wasserpfeife zu bringen, und beugte sich zu Kabi vor: »Dieser Kellner ist eine Enzyklopädie. Es gibt niemanden, der sich besser in der Geschichte der wichtigen irakischen Familien auskennt und weiß, wer Einfluss in der Regierung hat. Schmier ihn ab und zu, aber sei nicht zu großzügig, damit er sich nicht daran gewöhnt.«
    Er verstummte für einen Moment und fuhr dann fort: »Das Machbus hast du mit viel Geduld gespielt, die braucht man bei unserer Arbeit. ›Lass dein Boot über den Sumpf fahren, vielleicht wirst du von dort aus sauberes Wasser erreichen‹, wie es so schön geschrieben steht. Und bleib nicht lang bei deinem Hausherrn. Press die Zitrone aus bis zum Schluss, und such dir ein anderes kleines Haus.« Damit stand er auf und bat Kabi, ihn zum Flughafen zu fahren.
     
    Am Abend hörte Kabi ein Klopfen an seiner Tür, und als er öffnete, stand sein Hausherr vor ihm: »Herr Abbas Mahmud, das ist Ihr erster Abend in unserer Stadt, geben Sie uns doch die Ehre, bei uns zu Abend zu essen.«
    Als er mit seinem Gastgeber das Haus betrat, war der Tisch bereits gedeckt. Hin und wieder hörte er das Klirren von Armreifen und anschließend wurde der bedeckte Arm der Hausherrin sichtbar. Sie stellte ein Tablett nach dem anderen aus der Küche auf die Ablage hinaus, und ihr zehnjähriger Sohn brachte es zum Esstisch.
    Kabi war besonders angetan von dem gegrillten Fisch, der ihn an die berühmte Bagdader Fischdelikatesse Samak Masguf erinnerte, die sie in Sommernächten auf Dschazira, der Insel im
Tigris, gegessen hatten, und fast wäre ihm ein Ausruf der Begeisterung entschlüpft, doch er wahrte seine würdige Zurückhaltung.
    Zum Abschluss des Essens servierte ihm sein Gastgeber zu seinem Erstaunen ein Gläschen Arrak. Kabi fürchtete, in der Falle zu sitzen: Trank er nicht, würde er seinen Gastgeber beleidigen, trank er aber, würde er das Gebot des Koran übertreten und die Glaubwürdigkeit seines Auftretens als Muslim beeinträchtigen. Er beschloss, sich des Trinkens zu enthalten, und blieb dabei, auch nachdem ihm sein Gastgeber eine etwas verbogene Erklärung lieferte: »Im Koran wird gesagt, dass es verboten ist, Dattelwein zu trinken, nicht Arrak …«
    Die erste Nacht in Chorramschahr schien ihm endlos, war voll seltsamer Träume und jähem Erwachen, Sehnsucht nach daheim und nach Sandra. Was bin ich für ein Dummkopf, dachte er, ich hätte ihr vorschlagen sollen zu heiraten, mein Leben organisieren sollen, vielleicht hätte ich sie sogar mit hierher gebracht. Wie soll ich überleben, wie soll ich durchhalten in dieser Einsamkeit hier? Mit Sandra fühlte er sich wohl. Vielleicht würde er sie am Ende heiraten. Weshalb schreckte er immer davor zurück? Flüchtete er vor dem Sturz ins Unbekannte in der Liebe? Nur einmal hatte er dieses Hochgefühl verspürt, mit Amira, der Tochter des Taubenzüchters. Wie hatte sie ihn entflammt, gestreichelt und in sich aufgenommen! Nie würde er den Geschmack des ersten Kusses vergessen, Quittenmarmelade, gemischt mit ihrem Geruch, das reine Paradies. Und danach der tiefe Frieden, als sie am Ufer des Tigris lagen und der silberne Mond seinen Baldachin über sie breitete. Eine Nacht, die nie wiederkehren würde. Am nächsten Tag hatte sie Bagdad verlassen und war nach Erez Israel gereist, und er wusste nicht, weshalb, war völlig außer sich. Seitdem hatte er Angst vor solchen Löwinnen. Ja, Sandra passte zu ihm, das sagten alle. Und damit schlief er ein.

     
    Er machte es sich zur Gewohnheit, jeden Tag in das Tschaichane zu gehen. Innerhalb kurzer Zeit kam er dem Kellner näher, und nachdem er ihn mit ein paar Tuman bestochen hatte, bat er ihn, ihn mit Händlern, Schmugglern und Mitgliedern privilegierter Familien im Irak bekannt zu machen, die gelegentlich hier vorbeikamen. So fand Kabi zahlreiche Partner, um Backgammon, Domino oder Karten zu spielen, und das alles, um Spieler

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