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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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nachspionierte, und um sie abzuschütteln, betrat er eine kleine Moschee und betete wie ein echter Schiite.
    Im Süden der Stadt, am Ufer eines Kanals, sah er Waschfrauen und Essensverkäufer, die tiefe Blechschüsseln ausspülten. Die Schüsseln dienten zum Servieren einer fettigen Suppe aus Schafsköpfen und -beinen, die nach dem Auskochen sogar auf Holzschemeln neben den Suppenkesseln zur Schau gestellt wurden.
    Als er in den nördlichen Teil der Stadt gelangte, klärten sich die Kanäle, in denen das Schmelzwasser vom Elbrusgebirge dahinfloss. Auch der Anblick der Straßen veränderte sich und bezauberte ihn mit den hohen Kastanienalleen, die sie säumten. Im Samaran-Bezirk mehrten sich die prächtigen Häuser und schönen Villen, darunter der Niawaran-Palast, die Residenz des Schahs. Hier spazierten die persischen Frauen in europäischer Kleidung umher und die Männer in modischen Anzügen mit Krawatte.
    In der Nacht, in dem völlig fremden Hotelzimmer mitten in Teheran, einer Stadt, von der er nie im Traum gedacht hätte, jemals hinzukommen, fiel es Kabi schwer einzuschlafen. Als ihn endlich der Schlaf übermannte, sah er im Traum seinen geliebten Onkel Chizkel, der im Irak gefangen saß, über dessen Haupt seit zwanzig Jahren das Todesurteil schwebte, und fuhr entsetzt in die Höhe. Er trank ein Glas Wasser und versuchte sich zu beruhigen.
Die Affäre Judke Tadschar stieg in seinem Gedächtnis auf. Judke war Ende der vierziger Jahre in den Irak geschickt worden, verhaftet und zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Eines Tages kamen sie zu ihm, befreiten ihn von seinen Fesseln und befahlen ihm, sich zu waschen, zu rasieren und Anzug und Krawatte anzuziehen. Und so, sauber und würdig, führten sie ihn aus seinem Kerkerloch vor den Herrscher des Iraks, den General Abd al-Karim Qasim. Der General plauderte freundlich mit ihm, und am Ende des Treffens sagte er zu ihm: »Der Irak ist jetzt ein freies Land. Du hast uns gegenüber zwar gesündigt, aber du hast deine Strafe schon abgebüßt. Ich lasse dich frei und schicke dich weg.« Diese phantastische Affäre, die mehr verbarg als enthüllte, flößte ihm Hoffnung ein.
     
    Am Morgen nahm ihn Amram Tschuva in den Basar von Teheran mit. Kabi war völlig betäubt von der Größe, sicher war er zehnmal so groß wie der Basar von al-Quds und sogar größer noch als der Bagdads! Zahllose Läden mit bestechend schönen Teppichen, Dutzende Goldschmuckhandlungen und die Straßen voller Frauen in ihren traditionellen Gewändern, verhüllt von Kopf bis Fuß.
    Amram blieb an einem bescheidenen Laden stehen, an dessen Eingang auf einem Schemel ein Geldwechsler saß, der mechanisch Münzen in seinen Händen rollte. Sie gingen hinein, durchquerten den langen, schmalen Laden und schlüpften am Ende durch eine sackleinene Abtrennung in einen Nebenraum, der zur Gänze mit einem persischen Teppich ausgelegt war und in dessen Mitte ein Damaszenertisch und Korbstühle standen. Dort warteten sie eine Weile, bis ein grauhaariger Mann mit großen Ohren hereinschlüpfte.
    Amram stellte ihn als den »Kontaktmann« vor, Agent und Agentenwerber, der beim Mossad einen berühmten Namen hatte. Kabi betrachtete ihn überrascht, er sah wie einer der Geldwechsler im Basar aus, so hatte er sich diese wandelnde Legende nicht vorgestellt.
Der Mann ließ sich auf dem Stuhl nieder, zog eine Gebetskette aus seiner Tasche, drehte sie flink und plauderte entspannt mit Amram Tschuva über Gott und die Welt. Nur Arbeitsthemen berührten sie nicht.
    Am nächsten Tag, als sie zusammen nach Abadan flogen, erzählte ihm der Kontaktmann während des gesamten Fluges von den Trauerbräuchen der Schiiten, und Kabi vermerkte bei sich, dass er wieder über ein beliebiges Thema sprach, als befänden sie sich nicht mitten in einer wichtigen Mission. Kurz vor der Landung passierten sie den Luftraum des Iraks zwischen Basra, der Palmenstadt, und Kuwait. Die Landschaft, die sich ihren Augen darbot, war berückend: Der Schatt al-Arab teilte die große gelbe Wüste, zu beiden Seiten, so weit das Augen reichte, von grünen Rändern mit hoch aufragenden Dattelpalmen geziert.
    »Chorramschahr«, sagte der Kontaktmann und deutete auf die Stadt, der sie sich näherten. »Die Stadt ist eingebettet zwischen dem Schatt al-Arab im Westen und dem Fluss Karun im Nordwesten.«
    »So viel Wasser. Wollte Gott, wir hätten es auch.«
    Ein Schwall feuchter Hitze, durchtränkt von einem Geruch nach fauligem Kohl, schlug ihnen

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