Jasmin - Roman
Gefühl, ich befände mich in einer großen Familie. Innerhalb kürzester Zeit habe ich so viele Menschen
kennengelernt, mehr als bisher in meinem ganzen Leben.«
»Du übertreibst.«
»Überhaupt nicht. Ihr, die Sabres, wisst gar nicht, was es heißt, in einer kalten, entfremdeten Stadt zu leben. In der Métro zum Beispiel schauen dich die Leute nicht einmal an, am Campus ist es verboten, den Rasen zu betreten oder sich darauf zu setzen, und hier liegen die Studenten herum, bräunen sich und genießen das Leben. Das gefällt mir.«
Wir wechselten vom Tisch zum Sofa, in dem ich tief versank, mein Körper erschlaffte, strahlte Hitze aus wie ein Ofen. Mir fielen die Augen zu, mein Kopf senkte sich auf meine Brust.
Ich stand auf und wollte gehen. Michelle blickte mich enttäuscht an.
»Merde. Diese Israelis, entweder sie fallen über dich her, um dich flachzulegen, oder sie machen sich aus dem Staub wie Fremde. Sag mal, habe ich nicht einmal einen kleinen Kuss verdient?«
Beim zweiten Mal brachte ich ihr eine Sammlung der Rubaijats von Omar Chaijam, überwiegend Weingesänge, als Gastgeschenk mit und dazu noch Humus, dem nicht weniger gesunde Eigenschaften als dem Rotwein zugeschrieben werden. Sie öffnete die Tür in einem weißen Bademantel, bürstete mit der freien Hand ihr Haar. »Komm herein, mach es dir gemütlich. Ich habe mir den Kopf gewaschen, und die Haare sind noch nass«, sagte sie.
»Ich liebe nasses Haar, ich finde es sexy.« Ich war nicht sicher, ob sie es gehört hatte, denn in dem Moment schaltete sie den Föhn ein, der wie ein Presslufthammer donnerte. Als sie fertig war, erschien sie in einem extrem kurzen Minirock und einem etwas zu großen weißen Hemd, das die Rundungen ihrer Brüste hervorhob.
»Ich habe Neuigkeiten für dich, aber zuerst einmal, was möchtest du trinken?«
»Hast du Arrak?«, fragte ich zögernd.
»Ich habe welchen für dich gekauft, ich weiß ja schon, mit wem ich es zu tun habe. Du bist ein unbekehrbarer Konservativer«, lachte sie und öffnete die Verpackung des Geschenks, das ich ihr reichte. »Oh, wie schön, vielen Dank. Soll ich ehrlich sein? Das Album, das du mir beim letzten Mal mitgebracht hast, mochte ich nicht so besonders, diese Angeberei von den Generälen … das ist nicht chic. Ein bisschen Bescheidenheit würde nichts schaden«, und sie trat an die Bar. Sie holte den Arrak heraus, stellte ihn jedoch sofort wieder an seinen Platz zurück. »Ich werde dir diesen Sprit doch nicht zu trinken geben, schadet der Gesundheit«, verkündete sie entschieden und wandte sich dem Kühlschrank zu, nahm eine Flasche Weißwein heraus und importierten Wodka aus dem Gefrierfach. »Das ist ein überragender Weißwein, er stammt aus dem Weinkeller von Jean Claude, meinem französischen Freund. Er will nachkommen, mich heiraten und hier eine Weinkellerei aufbauen, vielleicht in Judäa und Samaria. Hast du eine Idee, wo man das Unternehmen am besten ansiedeln könnte?«
Ich schüttelte den Kopf. Sie schaltete den Plattenspieler ein, die warme, bewegende Stimme Edith Piafs schwang sich empor und brachte die Engel im Paradies zum Weinen. Ich räkelte mich im Sessel und nahm große Schlucke von dem erlesenen Wodka.
»Deine verehrte Jasmin hat angerufen. Ich hatte ein merkwürdiges Gespräch mit ihr. Sie interessierte sich für meine Arbeitszeiten, fragte, ob es mir auch keine Umstände mache, wenn sie zu einem weiteren Besuch käme, aber sie hat nichts ausgemacht.«
»Geh vorsichtig mit ihr um, bitte.«
»Warum ist sie dir so wichtig? Jedes Mal, wenn ich sie erwähne, leuchten deine Augen auf.«
»Wirklich? Ich … na gut, das bleibt unter uns, antiisraelische Elemente haben sie in deiner Stadt, in Paris, in die Hände bekommen … wir versuchen, sie von ihnen zu lösen, mehr kann ich
nicht sagen«, und ich machte ein höchst bedeutungsvolles Gesicht.
»Wieder dieses Ge’eimnis!«, rief sie mit ihrem anmutigen Akzent. »Auf das Wohl der israelischen Armee!« Sie trank einen Schluck Weißwein. »Heute habe ich für dich etwas Besonderes zum Essen gemacht, französische Käse, Salat und Pastete, alles mit Knoblauch gewürzt. Ich muss dir angewöhnen, Käse zu essen!«
»Merde«, imitierte ich ihren Akzent, »reicht mir meine Mutter nicht schon? Und ich habe dir den besten Humus der Stadt mitgebracht«, fügte ich hinzu.
»Wirklich? Ich bin bisher noch nie dazu gekommen, Humus zu essen.«
Wieder deckte sie den Tisch mit der weißen Tischdecke und zündete die
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