Jasmin - Roman
mir.«
»Machst du Witze?«, neckte sie mich. »Und was ist mit Kindern?«, fragte sie besorgt.
»Es gibt einen Rabbiner in Zefat, von dem man sagt, dass er das für mich arrangieren kann, aber erst nach einer ordnungsgemäßen Hochzeit.«
18.
SANFTE WORTE
Um halb fünf Uhr morgens, früher als gewöhnlich, begann der Tag mit dem Schreikonzert des turnusgemäßen Babys. Warum gab sie ihm nicht die Brust? Oder tat ihm irgendetwas weh, und der Armen gelang es nicht, es zu beruhigen? Sie wollte doch sicher auch schlafen. Von dem großen Fenster meines Zimmers aus, einem wirklich riesigen Fenster, wie man es in diesem Viertel kaum fand, sah ich sie, meine orthodoxe Nachbarin, mit einem neuen, hellen Tuch um den Kopf. Sie war jünger als ich und bereits Mutter von sechs Kleinkindern. Ihr Körper war von den Geburten entstellt, aber sie strahlte die Anmut zurückhaltender, reifer Weiblichkeit aus. Vielleicht war es die Haube, die ihr Gesicht so abrundete, oder vielleicht das Lächeln, das um ihren Mund huschte und sich sofort wieder zurückzog, oder der volle, weiche, von Kopf bis Fuß bedeckte Körper. Ich fragte mich, wie sie und ihr Mann sich vereinigten, wie man bei ihnen zu sagen pflegte. Verstärkte die Züchtigkeit die Lust, verlockte sie zur Berührung?
Ich liebte es, meine Orthodoxe mindestens einmal am Tag zu sehen, am besten morgens, sonst war meine Welt nicht in Ordnung. Wenn ich ihr scheues Lächeln mit einem Lächeln erwiderte, wandte sie sofort den Blick ab, als hätte sie gesündigt. Manchmal hatte ich Lust, eine müßige Plauderei unter Nachbarn mit ihr zu führen, sie mit einem Scherz oder einer deftigen Geschichte zu erheitern. Ob sie ebenso über mich nachsann wie ich über sie?
Wenn wir beide das Fenster öffneten, blickte sie mich an, schwieg aber immer. Vielleicht hätte sie gerne gewusst, wer mit
mir die Nacht verbracht hatte. Einmal zog ich morgens aus Rücksicht auf sie den Rollladen nicht hoch. Es war eine Frau bei mir, und wir hatten die Nacht freudlos zusammen verbracht, einfach wie zwei Leute, die sich für eine Nacht zusammengetan hatten, ohne dass es je Liebe zwischen ihnen geben würde, und ich wollte nicht, dass meine Nachbarin unsere langen Gesichter nach dem traurigen, frustrierenden Sex sah. Wenn Jardena manchmal bei mir schlief und wir unsere Lust feierten, flog der Rollladen in der Morgendämmerung mit der Freude an dem neu beginnenden Tag empor, und mir schien dann, dass meine Orthodoxe sich über Jardena freute. Wenn ich jemals heiratete, würde ich sie zur Hochzeit einladen, es wäre schön, wenn sie mich an meinem Hochzeitstag begleitete.
Zwei Stockwerke unter ihr wohnte noch eine orthodoxe Familie, auch sie mit zahllosen Kleinkindern. Sie vermehrten sich wie die Palästinenser, dreimal so stark wie wir.
Der Minister fand sich mit der natürlichen Vermehrung der Palästinenser nicht ab, genauso wenig wie mit seinem wachsenden Bauch. Doch ich blieb dabei, bereitete ihm die statistischen Fakten auf und überschüttete ihn mit Prognosen. »Diese Entwicklungen werden in unseren Tagen stattfinden«, sagte ich immer zu ihm, und er unterbrach mich verdrossen: »Ihre Kinder und meine Enkel werden sich darum kümmern müssen.« Doch ich ließ nicht locker. »Mein Vater hat mich hergebracht, um in dem Staat der Juden zu leben, aber bei diesem Tempo schrumpft er immer mehr«, goss ich Öl ins Feuer, und seine buschigen, grau melierten Augenbrauen sträubten sich vor Zorn, und er fing an, an ihnen zu rupfen. Man musste das gesehen haben, um es zu glauben: Da saß ein israelischer Minister und riss sich Haare aus den Augenbrauen mit der Geübtheit einer Hifafa, einer Schamhaarentfernerin. Danach stand er auf, lief im Zimmer auf und ab, und vor seinem geistigen Auge sah er eine Einwanderungswelle von Millionen Juden, eine russische Massenalija aus der Sowjetunion, voraus: »Sie werden den Eisernen Vorhang überrennen, zu
Massen in die historische Heimat einwandern, mit Alt und Jung …«, und er breitete die ausgestreckten Arme aus, als wollte er sie schon jetzt an sein Herz drücken. So predigte er munter weiter, hielt mir eine lange Ansprache, als sei ich ein ganzer Gewerkschaftskongress.
»Wer wird sie dort denn ausreisen lassen?«, dachte ich im Stillen, doch die Zukunft sollte zeigen, dass ich mich geirrt hatte. Er machte mich wahnsinnig, mein Minister, verlangte meinen Rat und hielt sich nicht daran, bezeichnete meine Meinung als irrelevant, bestand aber darauf, dass ich sie ihm
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