Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
zertrennen, aber es gelang ihr. Dann wurde es schwieriger. Es gab keinen Behälter, den sie mit Wasser füllen konnte, stattdessen hielt sie eines der Handtücher unter den Wasserhahn, bis es tropfnass in ihrer Hand lag.
»Geh lieber etwas zurück«, bat sie Jay
»Vergiss es.«
Seufzend gab Elizabeth den Versuch auf, Jay zum Verlassen des Raums zu bewegen. Sie kannte seine Dickköpfigkeit schon zu gut. Jetzt wurde es richtig schwierig. Die Öffnung, durch die sie die angekratzte Leitung erreichen konnte, war verdammt klein, das Handtuch in ihrer Hand viel zu groß. Unschlüssig kaute sie auf ihrer Unterlippe. Dann kam ihr die rettende Idee.
Sie formte das Handtuch zu einer Kugel und rollte es wie einen Ball auf die Öffnung zu.
Mit angehaltenem Atem wartete sie auf irgendein Zeichen, aber außer einem leisen Zischen hörte sie nichts. Verdammt. Das war gründlich schiefgegangen. Enttäuscht fuhr sie zu Jay herum und stellte fest, dass er verschwunden war. Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang, bis sie die schemenhafte Gestalt neben der Zimmertür erreicht hatte.
Jay fasste sie kurz am Arm. »Ich sehe mich um. Du bleibst hier und rührst dich nicht vom Fleck.«
»Aber …«
»Kein ›Aber‹, Beth. Ich kann mich draußen unbemerkt umsehen, dafür fehlt dir die Erfahrung und dein weißes T-Shirt ist dafür auch denkbar ungeeignet. Ich kann mich nicht gleichzeitig um dich und um mögliche Wachposten kümmern. Eine Ablenkung kann ich mir dieses Mal nicht erlauben.«
»Das ist mir schon klar. Aber es hat doch nicht funktioniert, oder?«
»Doch, hat es. Die Tür ist offen, und das werde ich jetzt ausnutzen. Womit hast du denn gerechnet? Mit einem lauten Knall und einer Leuchtreklame ›Die Tür steht offen‹?«
Gereizt wollte sie zu einer Antwort ansetzen, aber dann schüttelte sie nur den Kopf über seine flapsige Art, mit der er über ihre ernste Situation hinwegging. Daran würde sie sich nie gewöhnen, obwohl dadurch ein Teil ihrer Anspannung verflog. »Pass auf dich auf, DeGrasse. Und wenn du die Möglichkeit hast, zu fliehen, dann tu es und komm mit Verstärkung zurück.«
»Vergiss es. Falls sie wegen des Stromausfalls diesen netten Raum inspizieren, solltest du mit dem Kissen und der Decke etwas basteln, so dass es aussieht, als ob wir beide fest schlafen.« Er drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund und stieß die Tür auf. Nachdem er in den Flur gespäht hatte, verschwand er in der Dunkelheit, und sie war alleine. Langsam rutschte sie an der Wand hinab, bis sie auf dem Boden hockte.
Wie lange war es her, dass sie alles um sich herum vergessen hatte? Der Absturz nach dem Höhenflug war mörderisch und kaum zu ertragen. Sie wollte Jay festhalten und von ihm gehalten werden, aber das war unmöglich. Außer warten, hoffen und versuchen, ihre Angst um ihn in den Griff zu bekommen, konnte sie nichts tun. Nichts lenkte sie von den Horrorszenarien ab, die ihr durch den Kopf gingen. Willkommen zurück in der Wirklichkeit. Schwerfällig rappelte sie sich auf, um das Bett so vorzubereiten, wie Jay es vorgeschlagen hatte.
Dicht an die Wand gepresst, blieb Jay stehen und lauschte angespannt. Soweit er beurteilen konnte, war der Flur leer, aber da er so gut wie nichts sehen konnte, war das nicht mehr als eine Schätzung. Er war schlicht und einfach aufs Raten angewiesen, um die richtige Tür zu finden. Links kam er auf den Innenhof und damit in eine Sackgasse. Auf einen Besuch in seiner ehemaligen Zelle konnte er verzichten. Damit blieb nur rechts der Flur, von dem aus es auch in Alvarez’ Arbeitszimmer ging. Jay erinnerte sich, dass er an drei Türen vorbeigekommen war, ehe sie Elizabeths Zimmer erreicht hatten. Damit müsste die nächste sein erstes Ziel sein. Verdammt, er hätte Elizabeth fragen sollen, inwieweit sie sich in dem Gebäudekomplex auskannte. Jetzt war es zu spät. Wenn er falsch lag, würde er das bald merken.
Vorsichtig öffnete er die Tür und fluchte leise. Die Dunkelheit durch den Stromausfall hatte auch Nachteile. Links musste der Zugang zu Alvarez’ Arbeitszimmer liegen. Von dort aus kam er vermutlich in die Privaträume des Drogenbarons. Das half ihm nicht weiter, denn die Gefahr war immens hoch, dort auf Wachposten zu stoßen, die durch den Stromausfall wahrscheinlich ohnehin extrem angespannt waren. Dann weiter nach rechts. Wenn er sich richtig an die Satellitenaufnahmen erinnerte, hatte er eine realistische Chance, von dort aus zu der Fläche zu gelangen, die als
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