Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
vorstellen, herauszufinden, ob neben der körperlichen Anziehung noch mehr zwischen ihnen war. Er genoss den verbalen Schlagabtausch mit Elizabeth und schätzte ihren scharfen, analytischen Verstand. Sie behielt die Nerven, wenn es darauf ankam, und ihr Temperament hatte es in sich, dazu die immer wieder aufflackernde Unsicherheit, die ihn berührte. Er dachte daran, wie sie und Tina in sein Büro gestürmt waren, und fragte sich, ob ihr eigentlich bewusst war, wie sehr sie sich verändert hatte, seitdem sie die Zurückgezogenheit ihres Büros verlassen hatte.
»Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich gesagt: Lass uns abwarten, wohin es führt, Partner .«
Die Betonung des letzten Wortes entging Elizabeth nicht, aber überzeugt wirkte sie nicht. Trotz ihrer Provokationen war es noch ein langer Weg, bis er sie da hatte, wo er sie haben wollte, nämlich so lange an seiner Seite, bis er wusste, was zwischen ihnen war.
Er zuckte innerlich zusammen, als ihm bewusst wurde, dass er sich eigentlich schon entschieden hatte. Er wollte sie. Ohne Wenn und Aber. Bisher hatte er immer bekommen, was er wollte, und jetzt, da er sich selbst eingestanden hatte, dass ihm ein paar leidenschaftliche Nächte mit Elizabeth nicht reichten, würde sie erfahren, was es hieß, wenn einer der DeGrasse-Brüder sich für eine Frau entschieden hatte. Luc hatte sich weder von Taliban noch von abtrünnigen CIA-Agenten davon abhalten lassen, Jasmin hinterherzujagen. Dagegen hatte er es vergleichsweise leicht. Seine größte Hürde war Elizabeth selbst und damit würde er fertig werden. Zumindest glaubte er das.
»Du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hättest. Geht es dir gut?« Elizabeth wirkte aufrichtig besorgt. Wenn sie gewusst hätte, was in ihm vorging, wäre sie vermutlich schreiend weggelaufen.
»Mir ist nur gerade etwas klar geworden.«
»Und was?«
»Das ich nicht länger warten will und das es mir egal ist, dass die Tür nicht abgeschlossen ist.«
Trotz ihrer analytischen Fähigkeiten durchschaute Elizabeth die Bedeutung seiner Worte zu spät. Seine Lippen fanden ihre wie von selbst, und als sie unwillkürlich den Mund leicht öffnete, nutzte Jay die Chance sofort. Ihr Zögern war kaum merklich, dann kam sie ihm entgegen, und ihre Zunge stieß eher schüchtern als neckend gegen seine. Aber bald wurde sie mutiger, schmiegte sich enger an ihn und verwickelte seine Zunge in einen leidenschaftlichen Tanz.
Es war verführerisch, alles um sich herum zu vergessen, aber es hatte sich nichts daran geändert, dass es der falsche Zeitpunkt und der falsche Ort war, um dieses Spiel fortzusetzen. Bedauernd beendete er den Kuss und löste die enge Umarmung.
»Das war jetzt …«, begann sie, aber Jay legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen.
»Lass es einfach, wie es ist. Wir sollten in deine Wohnung fahren und ein paar Sachen packen. Ich habe uns für heute Nacht eine sichere Unterkunft besorgt. Dank Popeye und der Alarmanlage kommt zwar keiner unbemerkt ins Haus rein, aber gegen Schüsse vom Strand bieten die Fensterscheiben keinen Schutz. Ich hätte schusssicheres Glas nehmen sollen.«
»Und woran hast du gedacht?«
Wenigstens widersprach sie nicht sofort. »Lass dich überraschen. Das Haus wird dir gefallen, und es hat ausreichend Gästezimmer. Ich verspreche dir auch, mich zu benehmen und nichts zu tun, was du nicht willst.«
»Also, ob mich das nun beruhigt? Du bringst mich total durcheinander, DeGrasse.«
Das war doch ein vielversprechender Anfang.
Elizabeth blieb vor der Tür zu ihrem Apartment stehen und zog die Augenbrauen missmutig zusammen. »Ich hatte doch eine Firma beauftragt, die Tür wieder in Ordnung zu bringen.«
Die Tür zu ihrer Wohnung stand wie am Vortag einen Spalt offen. Das Polizeisiegel war durchtrennt worden, die Reste klebten am Rahmen und auf der Tür. »Mir gefällt das nicht.« Jay zog seine Waffe. »Haben die Handwerker sich gemeldet?«
»Ja, per SMS: Auftrag erledigt, Rechnung folgt.«
»Dann gefällt mir das noch weniger.«
»Aber warum sollten die Einbrecher denn zurückkehren?«
»Wir sehen trotzdem nach.«
Seufzend und sichtlich genervt, zog Elizabeth nun ihre eigene Glock. »Dann eben wie gestern.«
Wieder arbeiteten sie sich durch einen Raum nach dem anderen, aber die Wohnung war leer, nur das Durcheinander das Gleiche.
Elizabeth sah sich im Wohnzimmer um und zuckte schließlich mit den Schultern. »Irgendwann sollte ich mich ans Aufräumen machen.«
»Aber nicht jetzt und heute.
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