Jay: Explosive Wahrheit (German Edition)
wissen, die sind schließlich fürs Ausland zuständig. Ich habe nur entsprechende Gerüchte gehört. Alvarez soll knapp über vierzig sein. Er war so was wie der Ziehsohn eines bekannten und mächtigen Drogenbosses. Jeder ist davon ausgegangen, dass Alvarez sein Nachfolger wird, aber es kam anders. Alvarez hat sich mit einem Haufen Geld etwas Eigenes aufgebaut. Mich würde interessieren, ob er zu feige oder zu intelligent war, um es auf einen blutigen Kampf um sein Recht ankommen zu lassen.«
Tina hob die Schultern und grinste. »Wir können ihn ja fragen, wenn wir ihn haben. Aber weiter im Text. Ansonsten soll er sehr skrupellos sein, wenn es darum geht, sein kleines Reich zu schützen. Und wo wir schon bei seinem Reich sind: Sein Revier war bisher zu klein, um eine wirkliche Konkurrenz für die großen, einflussreichen Familien darzustellen, die sich momentan den Kuchen ›Kalifornien‹ teilen. Wenn wir richtig liegen, und davon gehe ich aus, dann wird sich das nun ändern, nachdem Alvarez mit neuem, billigen Stoff und dazu noch neuen Absatzwegen aufwarten kann. Allerdings frage ich mich, woher diese Initialzündung bei ihm kommt, nachdem er jahrelang zufrieden mit dem war, was er hatte. Aber auch das können wir ihn fragen, wenn wir ihn haben.«
Leises Lachen erklang nach Tinas Abschlusssatz. Jay ließ seinen Blick langsam über die Agenten wandern. Ihre Entschlossenheit und ihre Wut waren beinahe mit Händen greifbar.
»Damit wissen wir, mit wem wir es zu tun haben, aber es sind auch noch zahlreiche Fragen offen. Passt auf euch auf und seht einmal mehr als sonst in den Rückspiegel. Irgendjemand kann sich offenbar nicht entscheiden, ob er uns als Sündenböcke braucht oder doch lieber gleich in die Luft jagt.«
13
Jay stand am Fenster seines Büros und blickte auf die Straße hinunter. Fragen hatte er genug, nur kaum vernünftige Antworten. Die Fehlschläge seines Teams in den letzten Wochen ergaben einen Sinn, wenn er davon ausging, dass ihre Aktivitäten sich tatsächlich alle gegen Alvarez gerichtet hatten, und dieser mithilfe eines Maulwurfs über ihre Ermittlungen Bescheid wusste. Aber warum machte Alvarez dann nicht einfach weiter wie bisher, sondern griff sie offen an? Und vor allem: Wer war der Maulwurf, der für Alvarez arbeitete?
Er rieb sich über die Augen und dachte über das weitere Vorgehen nach. Rob war erfolgreich gewesen. Joss Rawiz war erfolgreicher Wirtschaftsanwalt einer bekannten Wall-Street-Kanzlei. Auf der Homepage der Kanzlei hatte Jay ein Foto des Anwalts gefunden. Der Typ war ungefähr im gleichen Alter wie er selbst und seine Augenpartie wirkte ebenso wie der Nachname, als ob er aus dem Nahen Osten stammen könnte. Weitere Informationen gab das Internet nicht her, aber Rob war es gelungen, auch die Privatadresse in Erfahrung zu bringen. An Geld schien es dem Kerl nicht zu mangeln, er bewohnte die oberste Etage eines Gebäudes in der Nähe des Central Parks. In die Wohnung hineinzukommen, war nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Eine andere Wahl hatte er nicht, er brauchte die Information, über die der Anwalt zweifellos verfügte, und ein freundliches Gespräch in der Kanzlei würde ihn keinen Schritt weiterbringen, sondern Rawiz würde ihn im hohen Bogen rausschmeißen lassen.
Nach einem leisen Klopfen betraten Tina und Elizabeth sein Büro. Beiden war anzusehen, dass sie die letzten Stunden am PC verbracht hatten. Sie ließen sich auf die Stühle vor seinem Schreibtisch fallen und gähnten gleichzeitig. Der Anblick brachte Jay zum Schmunzeln. »Seid ihr hier, weil ich euch eine Gutenachtgeschichte erzählen soll?«
Das wirkte, beide funkelten ihn an, und er blieb sicherheitshalber am Fenster stehen.
Elizabeth tippte auf die Rückseite von seinem Monitor. »Ich weiß ja nicht, womit du dich die letzten Stunden beschäftigt hast, aber wir haben bei jeder fehlgeschlagenen Ermittlung eine vage Verbindung zu Alvarez herstellen können. Die hätte zwar vor Gericht keinen Bestand, aber uns reicht es, um sicher zu sein, dass wir auf der richtigen Spur sind.
Tina nickte bekräftigend. »Und nicht nur das. In jedem einzelnen Fall gab es tatsächlich einen Tipp von der Straße, der uns zu Alvarez führen sollte, oder wir sind durch Standardmaßnahmen, Überwachung des Geldverkehrs oder Ähnliches auf Alvarez gestoßen. Damit ist unsere Theorie so gut wie bewiesen.«
»Da wart ihr ja fleißig, aber könnt ihr mir auch sagen, warum Alvarez plötzlich den offenen Konflikt sucht?
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