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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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mich außerordentlich geehrt fühlen, Proben meiner Arbeit bei Les Amis Des Vieux Ma î tres einzureichen, sobald sie mir von meinem Agenten in Paris geschickt würden, welchem ich natürlich tr è s press é schreiben wolle. Ich verblieb, mit größter Hochachtung, Jean de Daumier – Smith.
    Ich brauchte fast so lange, ein Pseudonym zu wählen, wie ich gebraucht hatte, den ganzen Brief zu schreiben.
    Ich schrieb den Brief auf Pauspapier. Allerdings steckte ich ihn in einen Ritz – Umschlag. Danach klebte ich eine Eilbriefmarke darauf, die ich in Bobbys oberster Schublade entdeckt hatte, und brachte den Brief zum Hauptpostkasten im Foyer. Unterwegs schaute ich noch beim Postfritzen (der mich eindeutig nicht ausstehen konnte) vorbei, um ihn auf die künftig für de Daumier – Smith eingehende Post hinzuweisen. Dann, gegen halb drei, schlüpfte ich in der Kunsthochschule in der Forty - e ighth Street in meine Anatomiestunde, die schon Viertel vor zwei begonnen hatte. Meine Klassenkameraden erschienen mir zum ersten Mal als recht anständiger Haufen.
    Während der folgenden vier Tage nutzte ich meine gesamte Freizeit und auch einige Zeit, die nicht ganz mir gehörte, um ein Dutzend oder mehr Proben dessen zu zeichnen, was ich für typische Beispiele amerikanischer kommerzieller Kunst hielt. Meist mit Wasserfarben, zuweilen a ber auch, um anzugeben, in Strichzeichnungen, malte ich Menschen im Abendkleid, die an Premierenabenden aus Limousinen steigen – schlanke, aufrechte, superschicke Paare, die offenkundig nie in ihrem Leben Leid infolge von Achselhöhlen – Nachlässigkeit zugefügt hatten – , ja Paare, die vielleicht gar keine Achselhöhlen hatten. Ich malte sonnengebräunte junge Giganten in weißer Smokingjacke, die an weißen Tischen neben türkisfarbenen Swimmingpools saßen und einander ziemlich aufgeregt mit Highballs zutranken, die aus einer billigen, aber vermeintlich ultramodischen Rye - Whiskey - Marke gemacht waren. Ich malte rotgesichtige, werbeplakatgeeignete Kinder, die außer sich vor Freude und Gesundheit ihre leeren Frühstücksschalen hochheben und freundlich um mehr bitten. Ich malte lachende, hochbusige Mädchen, die infolge ihres umfassenden Schutzes gegen nationale Übel wie Zahnfleischbluten, verunstaltete Gesichter, unansehnliche Härchen und eine fehlerhafte oder unzureichende Lebensversicherung bar aller Sorgen Wasserski laufen. Ich malte Hausfrauen, die, bis sie nach den richtigen Seifenflocken griffen, anfällig waren für strähniges Haar, schlechte Haltung, ungehorsame Kinder, verdrossene Ehemänner, raue (aber schmale) Hände, unordentliche (aber riesige) Küchen.
    Als die Proben fertig waren, schickte ich sie sogleich an M. Yoshoto, zusammen mit rund einem halben Dutzend meiner nichtkommerziellen Gemälde, die ich aus Frankreich mitgebracht hatte. Auch legte ich ein, wie ich fand, sehr beiläufiges Schreiben bei, das lediglich in Ansätzen die kleine, von Menschlichkeit gesättigte Geschichte erzählte, wie ich, ganz allein und mannigfach behindert, in der reinsten romantischen Tradition also, die kalten, weißen, vereinsamenden Höhen meiner Profession erreicht hatte.
    Die nächsten Tage waren entsetzlich spannungsreich, doch noch vor Ablauf der Woche kam ein Brief von M. Yoshoto, in dem er mich als Lehrer an der Les Amis Des Vieux Ma î tres annahm. Der Brief war auf Englisch, obwohl ich auf Französisch geschrieben hatte. (Später erfuhr ich, dass M. Yoshoto, der Französisch, aber nicht Englisch sprach, die Abfassung des Briefes Mme. Yoshoto überlassen hatte, die über brauchbare Englischkenntnisse verfügte.) M. Yoshoto schrieb, der Sommerkurs werde wahrscheinlich der vollste Kurs des Jahres werden und beginne am 24. Juni. Das gebe mir fast fünf Wochen, betonte er, um meine Angelegenheiten zu regeln. Für meine jüngsten emotionalen und finanziellen Schicksalsschläge sprach er mir faktisch seine grenzenlose Anteilnahme aus. Er hoffte, ich könne es einrichten, mich am Sonntag, den 23. Juni, bei Les Amis Des Vieux Maîtres einzufinden, um etwas über meine Pflichten zu erfahren und »enge Freundschaft« mit den anderen Lehrern zu schließen (die, wie ich später erfuhr, zwei an der Zahl waren und aus M. Yoshoto und Mme. Yoshoto bestanden). Er bedauerte zutiefst, dass es den Schulbestimmungen nicht entspreche, neuen Lehrern die Fahrtkosten vorzustrecken. Das Anfangsgehalt betrug achtundzwanzig Dollar die Woche – was, wie er, M. Yoshoto, wohl wisse, keine sehr hohe Summe

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