Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
erkennbares Schwein in einem erkennbaren Stall zeichnet oder gar ein pittoreskes Schwein in einem pittoresken Stall. Aber nicht um alles in der Welt konnte er jemandem zeigen, wie man ein schönes Schwein in einem schönen Stall zeichnet (was natürlich der Teil der Technik war, den seine besseren Schüler am begierigsten mit der Post geschickt bekommen wollten). Er ging auch nicht, sollte ich noch hinzufügen, bewusst oder unbewusst sparsam mit seinem Talent um oder war absichtlich unfreigebig, vielmehr war Schenken schlicht nicht seine Sache. Für mich lag in dieser schonungslosen Wahrheit kein echtes Überraschungsmoment, daher erwischte sie mich auch nicht unvorbereitet. Aber sie hatte eine gewisse kumulative Wirkung, wenn man bedenkt, wo ich saß, und als es allmählich Mittagszeit wurde, musste ich sehr darauf achten, meine Übersetzungen nicht mit meinen schweißnassen Handballen zu beflecken. Wie um alles noch bedrückender zu machen, war M. Yoshotos Handschrift kaum leserlich. Als es jedenfalls Zeit zum Mittagessen war, lehnte ich ab, mich zu den Yoshotos zu setzen. Ich sagte, ich müsse zur Post. Dann rannte ich geradezu die Treppe hinunter auf die Straße und lief sehr schnell und vollkommen ziellos durch ein Gewirr seltsamer, ärmlich w irkender Straßen. Als ich an ein Imbisslokal kam, ging ich hinein und verschlang zu drei Tassen trüben Kaffees vier »Coney Island Red - Hot« - Würstchen.
    Auf dem Rückweg zu Les Amis Des Vieux Maîtres fragte ich mich zunehmend, erst auf eine vertraut zaghafte Weise, mit der ich aus Erfahrung mehr oder weniger gut umzugehen wusste, dann in absoluter Panik, ob es persönlich gemeint gewesen sei, dass M. Yoshoto mich den ganzen Vormittag lang ausschließlich als Übersetzer benutzt hatte. Hatte der alte Fu Manchu von Beginn an gewusst, dass ich, neben weiterem irreführendem effektvollem Beiwerk, den Schnurrbart eines Neunzehnjährigen trug? Diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen war nahezu unerträglich. Auch nagte es langsam an meinem Gerechtigkeitsgefühl. Ich – ein Mann, der drei erste Preise erhalten hatte, ein sehr enger Freund Picassos (der zu sein ich zunehmend glaubte) – wurde hier als Übersetzer benutzt. Die Strafe entsprach nicht im Ansatz dem Verbrechen. Zum einen war mein Schnurrbart, wie spärlich auch immer, wirklich echt; er war nicht mit Mastix angeklebt worden. Zu meiner Beruhigung betastete ich ihn, als ich zur Schule zurückeilte. Doch je mehr ich über diese ganze Sache nachdachte, desto schneller lief ich, bis ich beinahe schon trabte, als erwartete ich jeden Moment, aus allen Richtungen gesteinigt zu werden.
    Obwohl ich für das Mittagessen lediglich rund vierzig Minuten gebraucht hatte, saßen die Yoshotos schon beide am Schreibtisch, als ich zurückkam. Sie schauten nicht auf und gaben durch nichts zu erkennen, dass sie mich hatten hereinkommen hören. Schwitzend und außer Atem ging ich zu meinem Schreibtisch und setzte mich. Während der nächsten fünfzehn, zwanzig Minuten saß ich starr da und ließ mir alle möglichen nagelneuen kleinen Picasso - Anekdoten durch den Kopf gehen, nur für den Fall, dass M. Yoshoto plötzlich aufstand und zu mir kam, um mich zu entlarven. Und dann stand er tatsächlich plötzlich auf und kam her. Ich erhob mich, um ihm – ganz offen, wenn nötig – mit einer frischen kleinen Picasso - Geschichte zu begegnen, doch zu meinem Entsetzen war mir, als er dann vor mir stand, die H andlung entfallen. Ich nutzte den Moment, um meiner Bewunderung für das Bild mit den fliegenden Gänsen, das über Mme. Yoshoto hing, Ausdruck zu verleihen. Ich pries es ziemlich ausgiebig und überschwänglich. Ich sagte, ich würde in Paris einen Mann kennen – er sei sehr reich und gelähmt, sagte ich – , der M. Yoshoto für das Bild wirklich jeden Preis bezahlte. Ich sagte, ich könne sofort mit ihm Kontakt aufnehmen, falls M. Yoshoto Interesse habe. Zum Glück sagte M. Yoshoto jedoch, das Bild gehöre seinem Cousin, der auf Verwandtenbesuch in Japan weile. Dann, noch bevor ich mein Bedauern bekunden konnte, fragte er mich – er sprach mich mit M. Daumier - Smith an – , ob ich so freundlich wäre, einige Lektionen zu korrigieren. Er ging zu seinem Schreibtisch und kam mit drei gewaltigen, ausgebeulten Umschlägen wieder, die er mir auf den Schreibtisch legte. Dann erklärte mir M. Yoshoto, während ich wie benommen und unablässig nickend mein Jackett an der Tasche abklopfte, in der die Zeichenstifte wieder verstaut

Weitere Kostenlose Bücher