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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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von Gott weiß wie vielen Stunden harter Arbeit.
    Eine meiner ersten Reaktionen war natürlich, mit Schwester Irmas Umschlag zu M. Yoshoto zu rennen. Doch auch hier blieb ich sitzen. Ich hatte keine Lust zu riskieren, dass mir Schwester Irma weggenommen wurde. Schließlich verschloss ich ihren Umschlag einfach sorgfältig, legte ihn auf die Seite meines Schreibtischs und fasste den erregenden Plan, in der folgenden Nacht in aller Ruhe daran zu arbeiten. Dann verbrachte ich den Rest des Nachmittags mit weit mehr Toleranz, als ich zu besitzen g eglaubt hatte, ja beinahe gutem Willen, damit, bei einigen männlichen und weiblichen Akten ( sans Geschlechtsorgane), die R. Howard Ridgefield geziert und obszön gezeichnet hatte, Ü berdec k-K orrekturen anzubringen.
    Als es Abendessenszeit wurde, öffnete ich drei Knöpfe meines Hemds und verbarg Schwester Irmas Umschlag dort, wo weder Diebe noch, nur um auf Nummer sicher zu gehen, die Yoshotos einbrechen konnten.
    Alle Abendmahlzeiten bei Les Amis Des Vieux Maîtres kennzeichnete eine stillschweigende, aber eiserne Prozedur. Punkt halb sechs stand Mme. Yoshoto von ihrem Schreibtisch auf und ging nach oben, um das Abendessen anzurichten, und um Punkt sechs folgten M. Yoshoto und ich – sozusagen im Gänsemarsch. Abstecher gab es keine, wie nötig oder hygienisch sie auch gewesen wären. An jenem Abend fühlte ich mich jedoch, mit Schwester Irmas Umschlag warm an meiner Brust, so entspannt wie noch nie. Ja, während des gesamten Abendessens hätte ich nicht mitteilsamer sein können. Ich gab eine tolle Geschichte von Picasso zum Besten, die mir da erst gekommen war, eine, die ich mir vielleicht für schlechte Zeiten aufgehoben hätte. M. Yoshoto ließ kaum seine japanische Zeitung sinken, um zuzuhören, Mme. Yoshoto hingegen wirkte interessiert oder wenigstens nicht desinteressiert. Wie auch immer, als ich damit fertig war, sagte sie zum ersten Mal, seit sie mich am Morgen gefragt hatte, ob ich gern ein Ei hätte, etwas zu mir. Sie fragte mich, ob ich auch wirklich keinen Stuhl in meinem Zimmer haben wolle. Rasch sagte ich: »Non, non – merci, madame .« I ch sagte, so wie die Sitzkissen an der Wand aufgestellt seien, gäben sie mir die Gelegenheit zu üben, meinen Rücken gerade zu halten. Ich stand auf, um ihr zu zeigen, wie krumm mein Rücken war.
    Nach dem Essen, die Yoshotos erörterten auf Japanisch ein vielleicht provokantes Thema, bat ich sie, mich zu entschuldigen. M. Yoshoto sah mich an, als wüsste er nicht recht, wie ich überhaupt in seine Küche gelangt sei, nickte aber, worauf ich rasch den Flur entlang auf mein Zimmer ging. Als ich das Deckenlicht angemacht und die Tür hinter mir geschlossen hatte, holte ich meine Zeichenstifte aus der Tasche, zog dann das Jackett aus, knöpfte mir das Hemd auf und setzte mich mit Schwester Irmas Umschlag in der Hand auf ein Sitzkissen. Bis nach vier Uhr morgens, alles, was ich brauchte, lag vor mir ausgebreitet auf dem Fußboden, widmete ich mich den, wie ich glaubte, unmittelbaren künstlerischen Mängeln Schwester Irmas.
    Als Erstes fertigte ich zehn, zwölf Bleistiftskizzen an. Statt ins Lehrzimmer hinuntergehen und Zeichenpapier zu holen, zeichnete ich die Skizzen auf mein persönliches Briefpapier, und zwar auf beide Seiten des Blattes. Als ich damit fertig war, schrieb ich einen langen, fast endlosen Brief.
    Zeit meines Lebens bewahre ich alles auf wie eine außergewöhnlich neurotische Elster, und auch den vorletzten Entwurf des Briefs, den ich in jener Juninacht im Jahr 1940 an Schwester Irma schrieb, habe ich noch. Ich könnte ihn hier in seiner Gänze wörtlich wiedergeben, aber das ist nicht nötig. Den Großteil des Briefs, und ich meine Großteil, verwandte ich dazu, sie darauf hinzuweisen, wo und wie sie in ihrem Hauptbild in gewisse Schwierigkeiten geraten sei, besonders bei den Farben. Ich führte einige Künstlerutensilien auf, von denen ich annahm, dass sie ohne sie nicht auskäme, und fügte die ungefähren Ausgaben hinzu. Ich fragte sie, wer Douglas Bunting sei. Ich fragte sie, wo ich einige seiner Werke sehen könne. Ich fragte sie (und ich wusste, wie weit hergeholt das war) , ob sie schon einmal Reproduktionen von Gemälden von Antonello da Messina gesehen habe. Ich bat sie, mir bitte zu sagen, wie alt sie sei, und versicherte ihr des Langen und Breiten, dass ich diese Information gegebenenfalls für mich behielte. Ich sagte, ich fragte sie lediglich deshalb, weil diese Information mir helfen

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