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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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nicht.« Mimi lehnte sich gegen das Fensterbrett. »Sie musste in ein künstliches Koma versetzt werden, um ihr etwas…«
    Margarete starrte Mimi fassungslos an. »In ein künstliches Koma? Warum um Himmels willen?«
    »Wegen ihrer starken Herzschmerzen. Der Arzt sagt, damit sie sich etwas erholen kann. Und…«
    Bevor Mimi überhaupt zu Ende gesprochen hatte, schüttelte die Haushälterin den Kopf und verfiel urplötzlich in überzogene Geschäftigkeit. »Als würde das was helfen!« Verärgert goss sie Pfannkuchenteig in die heiße Pfanne, dass es zischte. Dann drehte sie sich wieder zu Mimi um und lächelte seltsam bemüht. »Noch etwas selbst gemachte Marmelade? Die Jungs waren neulich zu Besuch da und haben mir geholfen, die Himbeeren abzuernten. Zwei Eimer voll.« Vor Mimi wurde ein Glas mit Marmelade etwas zu heftig auf den Tisch gestellt und dazu eine Schüssel mit Milchkaffee.
    »Danke.« Mimi setzte sich. Langsam irritierte sie Margaretes gereizte Stimmung. War sie beleidigt, dass man ihr Claras Pflege nicht zutraute? Rührte das an ihrer Haushälterinnenehre? Besser, sie wechselte das Thema. »Wie geht es Felix und Bruno?«
    »Denen geht es gut. Felix ist verheiratet und hat drei Kinder. Ein Mädchen. Und Zwillinge. Und Bruno ist als Pilot viel in der Weltgeschichte unterwegs.« Margarete verschränkte die Arme vor der flachen Brust. »Ich wünschte nur, die beiden würden sich etwas öfter blicken lassen. Aber vielleicht hilft es, wenn ich ihnen sage, dass Sie hier sind.« Sie warf Mimi einen fahrigen Blick zu, bevor sie sich wieder der Pfanne zuwandte.
    Bruno war also tatsächlich Pilot geworden! Mimi hätte gern noch mehr über die beiden Jungs erfahren. Besonders zu dem zwei Jahre älteren Bruno hatte sie immer eine spezielle Nähe empfunden, bis er mit neunzehn Jahren Waldblütenhain verlassen hatte, um mit dem Rucksack eine Weltreise zu machen, die sich über mehrere Jahre hingezogen hatte. Aber erst einmal wollte sie mit ihren eigenen Angelegenheiten weiterkommen. Hoffentlich war Margarete heute etwas auskunftsfreudiger als gestern. »Weißt du zufällig, ob Clara früher Tagebücher geschrieben hat?«
    Die Haushälterin stand mit dem Rücken zu ihr am Herd und ließ den Pfannkuchen auf einen Teller gleiten. »Schon möglich.«
    »Und hast du eine Idee, wo sie ihre Tagebücher aufbewahren würde?«
    Margarete warf Mimi einen mürrischen Blick über die Schulter zu. »Tagebücher sind nie für fremde Leser bestimmt. Sie sind allein für den Schreiber gedacht.«
    »Ich weiß.« Mimi wand sich auf ihrem Stuhl. »Leider muss in diesem Fall eine Ausnahme gemacht werden. Aus einer gewissen Notwendigkeit heraus.«
    »Aus einer Notwendigkeit heraus?« Margarete drehte sich um und sah Mimi böse an, als hätte sie Geld aus der Haushaltskasse entwendet.
    Und genauso fühlte sich Mimi. Dabei hatte sie gar nichts getan. Sie wollte Clara nur helfen. Sie räusperte sich, wobei ihr Versuch scheiterte, nicht rot zu werden. Sie war Margarete doch überhaupt keine Rechenschaft schuldig. Oder doch? Weil sie über sechzig Jahre mit Clara in diesem altertümlichen Kosmos gelebt hatte?
    Nachdem sich Margarete mit Korb und Regenjacke in den Vorgarten zum Unkrautjäten verabschiedet hatte, durchstöberte Mimi im Salon die Kommodenschubladen. Das tat sie möglichst unauffällig, damit Margarete, die zwischen den Jelängerjelieberstauden immer wieder den Kopf hob, um durchs Salonfenster zu spähen, keinen Verdacht schöpfte und Mimi am Ende noch davon abhielt, weiter nach Hinweisen auf diesen Jacques zu suchen.
    Immerhin hatte es die Haushälterin schon geschafft, ihr ein schlechtes Gewissen zu bereiten. War es denn falsch, was Mimi vorhatte? Sie hätte ihre Großmutter ja selber befragt, doch sie konnte ihr gerade keine Auskunft geben. Tief schlafend. Angeschlossen an diese piependen Apparate. Die Hände reglos neben dem Körper. Das lockige Haar unter einer hellblauen Operationshaube. Nicht einmal mit den Augenlidern hatte Clara gezuckt, als Mimi die duftenden Blütenzweige auf das Nachtschränkchen gestellt und leise mit ihr geredet hatte. Wie leblos hatte ihre Großmutter in diesem sterilen Raum gelegen, als hätte sie nicht vor, jemals wieder aufzuwachen.
    Nachdem die Suche im Salon nach Hinweisen auf die Vergangenheit ergebnislos blieb, schlich Mimi hinüber ins Klavierzimmer. In dem dunklen, schmalen Raum stand die Luft. Sicherlich wischte Margarete hin und wieder Staub auf dem schwarz glänzenden Instrument, aber

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