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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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an seine breite Schulter.
    Er drückte ihr einen Kuss auf ihren Haaransatz und raunte heiser: »Es war schön, mit dir zu schlafen, Yamyam. Schöner, als ich es mir je vorgestellt habe.«
    »Du hast es dir vorgestellt?«, sagte sie lächelnd. »Und ich habe Jahre meines Lebens damit zugebracht, nachts von dir zu träumen. Ich habe meine Bettdecke zusammengerollt, sie umarmt, geküsst und Bruno genannt.«
    Er lachte auf und erhob sich langsam. »Gut, dass wir das nun voneinander wissen! Hättest du mir nur einen kleinen Wink gegeben, hättest du all das natürlich schon mit neunzehn haben können.« Er reichte ihr die Hand und zog sie zu sich nach oben in seine Arme. »Andererseits konnte ich mich so zwanzig Jahre lang darauf freuen. Danke für diesen unglaublich schönen Abend, Yamyam.« Er schlang seine Arme um sie und blickte sie glücklich an. »Jetzt muss ich leider zu meiner Mutter und mich artig verabschieden, sonst kann sie nicht einschlafen. Wenn du doch noch morgen mit mir nach Lissabon fliegen möchtest, lass es mich wissen.«
    Es gab ihr Frieden, für einen letzten, innigen Moment im rauschenden Wald von Bruno so fest gehalten und gewärmt zu werden, während ihre Zähne vor Kälte und Müdigkeit aufeinanderklapperten. Mimi schmiegte sich ein letztes Mal an seine Brust, wobei sie hoffte, dass es nicht das letzte Mal sein würde. Und auch, wenn ihre Gedanken an René sie immer wieder wie grelle Blitzlichter durchzuckten, fühlte sie sich doch in Brunos Nähe geborgen und aufgehoben. Sie lächelte. »Und ich danke dir. Mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    Bruno griff fest nach ihrer Hand und führte sie zurück durch den Wald, am Bachlauf entlang zur Obstwiese. Ein letzter, zärtlicher Windhauch legte sich kühl über ihr Gesicht, die Arme und ihr Herz. »Gute Nacht, Bruno.«
    »Gute Nacht, Yamyam.« Mit einem sanften Kuss verabschiedete er sich Richtung Gesindehaus. Mimi huschte in die andere Richtung, durch den Wintergarten und die Halle, die Treppe hinauf. In ihr altertümliches Jugendzimmer, wo noch gehäkelte Gardinen aus dem vorletzten Jahrhundert vor den Fenstern hingen.

18

    Dotty’s Cove, 2013
    Mit nur einer Handvoll Passagieren bestieg Mimi in Montreal den Flieger, der sie nach Halifax bringen würde. Der Flug sollte anderthalb Stunden dauern. Es war die Strecke, auf der ihre Eltern während des Rückflugs von Halifax ums Leben gekommen waren. Draußen auf dem Rollfeld regnete es in Strömen aus einem milchig grauen Himmel herunter auf die wartenden Flugzeuge und die leuchtend orangenen Gepäckwagen.
    Drinnen in der Maschine war es kalt.
    Mimi schob die Reisetasche unter den Vordersitz und wickelte sich in ihren Sommermantel ein. Sie wollte nicht darüber nachdenken, ob dieses wahnwitzige Unterfangen vollkommen sinnlos war oder nicht. Aufgrund eines zwanzig Jahre alten Faxes war sie seit elf Stunden unterwegs und saß nun im Flugzeug nach Neuschottland, auf der Suche nach Jacques Barreto, der womöglich gar nicht mehr lebte, und falls doch, dann vielleicht nicht mehr in Neuschottland. Eigentlich wusste sie gar nichts über ihn, außer dass er an ihre Großmutter leidenschaftliche Karten geschrieben hatte und sich die beiden vermutlich als Teenager in Cadaqués kennengelernt hatten. Es gab einen kleinen Kompass, in dessen Kästchen sein Name eingeritzt war, und einen Hinweis darauf, dass er womöglich etwas mit Weinanbau zu tun gehabt hatte. Außerdem führte eine gewisse Cécile Barreto in Südfrankreich, inmitten von Weingärten, ein kleines Hotel. Mehr wusste Mimi nicht. Alles in allem ein Bündel loser Fäden.
    Wahrscheinlich strickte sie sich aus den kläglichen Informationen eine Fantasiegeschichte zusammen, die auch ganz anders gewesen sein könnte. Und doch war es gut, unterwegs zu sein. Sie brauchte Abstand. Von René, der wütend das Telefon auflegte, wenn sie anrief, und ihrer Nacht mit Bruno, die sie gewaltig aufwühlte. Hatte sie einfach nur Lust gehabt, mit ihm zu schlafen? Oder war ihre alte Verliebtheit neu aufgeflammt? Wollte sie sich mit ihm trösten, in der Hoffnung, so über René hinwegzukommen? Oder erkannte sie endlich, dass sie den falschen Mann geheiratet hatte? Hätte sie überhaupt mit Bruno schlafen dürfen? War es für ihn nur eine Sexgeschichte von vielen gewesen oder der mögliche Anfang einer zärtlichen Verbindung?
    Lauter nicht zu beantwortende Fragen wirbelten durch ihren müden Kopf. In ein paar Stunden würde sie zumindest wissen, ob sie mit dieser Re ise

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