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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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geglaubt, der mir etwas versprochen hat. Ich sah eine große Karriere vor mir. Die beiden waren wohl Kunsthändler. Sie schienen ziemlich einflussreich. Und ziemlich enttäuscht …«
    »Enttäuscht?«
    »Ja! Weil sie diesen Jacques nicht angetroffen hatten, seinetwegen waren sie doch überhaupt hierhergekommen.« Finnley machte eine kurze Pause. »Offenbar ergeht es Ihnen gerade genauso. Scheint schwer zu finden zu sein, der Mann, was?«
    »Haben die beiden gesagt, was sie von ihm wollten?«
    »Es war wohl eher so, dass er etwas von ihnen wollte.« Finnley wurde für einen Augenblick von ein paar Spaziergängern abgelenkt, die sich interessiert seine Aquarelle vom Leuchtturm und den Fischerbooten ansahen und schließlich, nach einigem Hin und Her, ein kleines Bild vom Leuchtturm in der Abenddämmerung kauften. Finnley packte das eingenommene Geld in seine Gürteltasche und setzte sich wieder zu Mimi, die versuchte, keinen allzu nervösen Eindruck zu machen; dabei brannte sie darauf, endlich Genaueres über Jacques zu erfahren. Sie wollte wenigstens ein Teilchen vom Puzzle erhaschen.
    »Verzeihen Sie, wo waren wir stehen geblieben?«
    Mimi strich sich die Haare hinter das Ohr, die von den Windböen immer wieder in ihr Gesicht geweht wurden. »Sie sagten, dass Jacques etwas von diesem Paar wollte.«
    »Ja! Richtig!« Der Maler zündete sich eine Zigarette an. »Er hatte sie hierherbestellt, um ihnen ein ausgesprochen wertvolles Bild zu verkaufen, das in seinem Haus hing, drüben in Lunenburg. Sie waren den weiten Weg von Europa bis hierhergekommen. Und er war nicht da! Das war ein ziemlicher Schock für die beiden, als er hier auch nach Stunden nicht auftauchte. Aber ich konnte ihnen auch nicht helfen. Wie gesagt, ich kenne diesen Jacques nicht. Jedenfalls haben wir uns sehr nett unterhalten. Haben drüben bei mir noch zusammen zu Abend gegessen.« Der Maler wies mit dem Daumen über die Schulter. »Meine Hütte liegt gleich hinter dem Restaurant, direkt am Wasser. Es war ein sehr geselliger Abend. Und dann sind sie wieder gefahren. Ich weiß nicht, ob sie den Mann noch in Lunenburg gefunden haben. Wie gesagt, ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört.«
    Mimi schlug den Kragen ihres Mantels hoch. Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden, die der Wind über das Meer zu ihnen geschoben hatte. Sie nickte. Dies war also der Mann, mit dem ihre Eltern ihr letztes Abendessen auf dieser Welt eingenommen hatten. In seinem Haus. Sie fragte, so leise, dass Finnley sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen: »Darf ich mir Ihr Haus mal ansehen?«
    »Mein Haus? Okay. Warum nicht? Ist nichts Besonderes. Das sage ich Ihnen gleich. Ist winzig. Nur ein Raum, aber aus meinem Fenster habe ich den perfekten Blick auf die Buchten. Da sitze ich im Winter und male. Muss ich nicht raus.«
    Mimi lächelte. Sollte sie Finnley sagen, warum sich diese beiden netten Leute nie wieder bei ihm gemeldet hatten? Vielleicht haderte er seitdem mit seinem Talent. Sie atmete tief ein. »Diese beiden Leute, die Sie damals nach Deutschland holen wollten …« Sie machte eine Pause, um sich für den zweiten Teil des Satzes Mut zu machen. Es war nur ein Wort, beladen mit einer unermesslichen Bedeutung. »Das … das waren meine Eltern.« Jetzt stieß Mimi die Luft aus. Ihr Herz wummerte.
    »Ihre Eltern?« Der Maler sprang auf, wobei er gegen eins von seinen Holzgestellen mit den Aquarellen stieß und es bedrohlich kippelte. »Das ist ja was! Wie geht es ihnen?«
    Mimis Blick wanderte zurück zu den Felsen, hinter denen die Gischt emporspritzte. Ihre Stimme klang belegt, als sie es erneut aussprach: »Sie sind damals bei dem Flugzeugunglück ums Leben gekommen.«
    »O mein Gott!« Der Maler fuhr sich mit der Hand über das wettergegerbte Gesicht. In der Bewegung nahm er seine Mütze ab und knetete sie zwischen den Händen, als wollte er beten. »Das … das tut mir leid. Wir haben damals wirklich alles versucht. Sind mit unseren Booten raus, aber … die See war an diesem Tag …«
    »Ich weiß. Sie war unbezähmbar. Und ich danke Ihnen.« Mimi stand nun auch auf. Sie klammerte sich an das weiß gestrichene Geländer der Veranda. »Ich hätte längst herkommen müssen, um Ihnen allen für Ihren Einsatz zu danken. Es ist nur… es ist, als würde ich jetzt an diesem Ort, in diesem Augenblick, überhaupt erst verstehen, was damals geschehen ist.«
    Neben Mimi flatterte die Schutzplane über den Bildern, von dem jedes einzelne die friedliche Bucht von

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