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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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kommt es ihr vor, als reiche schon ein Windhauch, um sie umzuwerfen – oder sie in Jonas’ Arme zu wehen.
    Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und klappt den Computer auf, klickt »Eigene Bilder« an, öffnet den Ordner »Jonas« – und klappt schnell den Computer wieder zu. Es brennt in ihr, die Brust zieht sich zusammen. Es tut so weh! Sie kann sich die Fotos von Jonas und ihr immer noch nicht anschauen – obwohl sie sich so nach ihnen sehnt!
    Und nun sitzt sie da, wieder weinend, obwohl gar keine Tränen mehr da sind und das Weinen auch nicht hilft, es tut nicht mal gut. Hinterher ist alles rau und wund. Das will sie nicht. Julia steht auf und schiebt die Kommode ein bisschen mehr in die Ecke. Neben der Kommode hängt der große Spiegel. Sie bleibt davor stehen und schaut sich an. Je länger sie sich anschaut, desto weniger erkennt sie sich. Wo ist Julia?
    Ein Duft geht durch den Raum. Sie riecht es ganz deutlich: Jonas’ Rasierschaum. Es riecht auch nach seiner Lederjacke! Sie springt auf, dreht sich um, sieht ihn aber nicht, dabei spürt sie doch, wie er durchs Zimmer geht. Sie steht ganz starr, kann seine Schritte hören, sieht ihn vor sich, sein Lächeln, er will ihr etwas sagen. Sie küsst ihn auf den Mund. Ihre Lippen kribbeln. Der Duft verfliegt. Jonas! Er war da! Sie hat ihn erkannt. Sie weiß, er wird wiederkommen. Und dann wird sie ihn festhalten. Sie werden wieder zueinanderkommen!
    Julia plumpst auf den Bürostuhl, erschöpft, wie nach einem Dauerlauf.
    Neben dem Computer liegt Annes Visitenkarte. Julia klickt auf dem Computer den Ordner »Eigene Bilder« weg und googelt »Medium«. Bei Wikipedia steht: Ein Medium (lat.: medium = Mitte, Mittelpunkt) ist etwas in der Mitte Befindliches, Dazwischenliegendes; der Plural ist Medien, selten Media. Es gibt Medien als Übermittler von Stoffen – das ist nicht, was sie sucht, aber hier: Medien als Übermittler von Informationen . Julia murmelt vor sich hin:
    Der Begriff Medium kann auch ein Kommunikationsmittel beliebiger Art zwischen Sender und Empfänger bedeuten. Die Informationen über technische Massenkommunikationsmittel, wie Radio oder Fernsehen oder Zeitungen, überspringt sie. Aber jetzt hat sie, was sie sucht: Medien oder »medial« werden auch Personen bezeichnet, die behaupten, mit geistigen Wesen kommunizieren zu können.
    Heißt das etwa, dass Anne mit geistigen Wesen kommunizieren kann? Was sind denn »geistige Wesen«? Etwa Geister und Tote? Julia glaubt nicht an Geister. Sie glaubt an Jonas. Wieso hat Anne ihr eine Karte gegeben? Wieso hat Anne überhaupt so eine Karte, auf der sie sich als Medium ausgibt? Sie ist drauf und dran, Anne anzurufen. Sie zögert. Besser, sie schreibt eine Mail.
    Hallo, Anne, wollen wir uns treffen? Ich hätte morgen Nachmittag Zeit. Irgendwo auf ein Eis?
    Als sie auf »Senden« drückt, kommt es ihr ziemlich komisch vor, Anne diese Mail geschrieben zu haben. Aber nun ist sie weg.
    Julia möchte selbst eine Verbindung zu Jonas herstellen, möchte ihm einen kleinen Altar bauen, auf ihrer Kommode. Sie stellt eine Kerze darauf, zündet sie an. Dann holt sie ihre japanischen Räucherstäbchen. Ein Geschenk von Jonas, Kyo-nishiki , ohne synthetische Zutaten, ohne Tierversuche, mit Sandelholz, Zimt, Patchouli und Bittermandel. Als sie ein Stäbchen anzündet, ist es wieder, als wäre Jonas bei ihr. Nicht in diesem Raum, aber trotzdem bei ihr. Das Glück, angelockt von seinem Duft, sitzt ihr noch im Körper, lässt sich jedoch nicht festhalten, kräuselt sich weg von ihr. Ihre Seele zieht sich zusammen, wie eine rohe Auster, die man mit Zitrone beträufelt. Es zuckt in ihr, lebt noch ein bisschen, dann schwappt alles wieder über ihr zusammen, hohe, traurige Wellen, und kleinere, die ihr den Boden unter den Füßen wegspülen. Bloß irgendwo festhalten!
    Ihr Herz rast. Sie weiß, sie muss sich beschäftigen, muss irgendwas tun! Sie schiebt das Bett ans große Fenster, den Schreibtisch an die schmale Wand. Jetzt kann sie bei offenem Fenster auf dem Bett liegen und den Wind spüren. Sie holt die Lederjacke unter dem Bett hervor und deckt sich damit zu, die Jacke bis ans Kinn gezogen. Jonas hält sie, ganz fest. So döst sie ein, in seinen leeren Armen.

KAPITEL 10
    Ameisen
    Kolja kommt. Sie wollen zum Teufelssee. Er ist mit dem Auto da. Julia würde lieber mit dem Fahrrad fahren, aber bis zum Teufelssee ist es zu weit.
    Im Auto wird Julia übel. Sie öffnet das Fenster, doch davon wird es auch nicht besser. Auf

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