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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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haben. Sie hat noch seinen Geschmack im Mund und ist genau in diesem wolkigen Zustand, wenn alles still und ruhig ist, nur ihre Finger miteinander spielen, wie kleine Kätzchen, die sich anspringen, übereinander purzeln. Jonas will etwas sagen, sie versteht es nicht, sieht, wie froh er ist, dass er sie endlich wiederhat! Das will er ihr doch sagen! Nimm mich mit!
    Sie liegt auf dem Bett, das Fenster ist weit offen. Ihr Herz rast, als wollte es aus ihr herausspringen. Jonas war wieder da. Seit ihrem Fenstertraum schläft sie nur noch mit geöffnetem Fenster, damit sie nicht wieder durch Glas getrennt werden, damit er jederzeit zu ihr kann. Könnte sie doch nur verstehen, was er ihr sagen will!
    Noch schwebt sie auf dieser Wolke, blinzelt in den blauen Himmel und wird mit jedem Atemzug schwerer, dann kehrt sie in ihr Zimmer zurück. Es war wieder nur ein Traum, aber im Traum ist alles echt. Sie hat auch noch seinen Duft auf der Zunge. Sie macht die Augen zu, will zurückkehren, einschlummern, aber den Berg kommt sie nicht mehr hinauf.
    Es klopft an ihrer Zimmertür. Mama bringt ihr ein Glas frisch gepressten Orangensaft ans Bett, setzt sich zu ihr auf die Bettkante. Sie sieht frisch aus in ihrem grünen Sommertop und dem malvefarbenen Lippenstift. Überhaupt sieht ihre Mutter noch gut aus – für 42. Julia wird bestimmt nicht mal 25. So halb kann man doch nicht alt werden.
    »Wollen wir zwei heute shoppen gehen?«, fragt Mama.
    Julia trinkt den Orangensaft. Er ist süß und fleischig, eiskalt.
    »Oder wollen wir zwei ans Meer fahren?«
    »An welches Meer?«
    »Egal«, sagt Mama. »Ich fahre überall mit dir hin, nur dass du wieder fröhlich wirst. – Was warst du früher für ein fröhliches Kind!« Mama fängt an zu weinen.
    Julia schlingt die Arme um sie. »Mir geht es ja schon wieder besser. – Ssscht«, flüstert sie ihrer Mutter ins Ohr, wiegt sie, tröstet sie, wie Mama sie früher immer getröstet hat, das fröhliche Kind, wenn es hingefallen war oder Kummer hatte. Den größten Kummer hatte sie, als ihre kleine Katze Mocca überfahren wurde. Julia hatte sie noch gestreichelt, bei Oma Iris, im Vorgarten, Mocca hockte vor ihr und plötzlich war sie losgerannt, wie von Panik erfasst, und vor ein Auto gelaufen. Sie war sofort tot, die Augen noch offen, aus ihrem linken Ohr und aus der Schnauze rann Blut. Der Anblick ihrer kleinen, toten Katze hatte so wehgetan! So einen Schmerz hatte sie bis dahin noch nicht gekannt, nicht zu vergleichen mit aufgeschrammten Knien oder eingeklemmten Fingern.
    Damals war auch noch niemand aus ihrer Familie gestorben; den Tod kannte sie nur aus Märchen. Schreiend war sie ums Haus gelaufen, hatte immer wieder Moccas Namen gerufen, aber Mocca war nie wiedergekommen, nur manchmal schleicht sie sich noch durch Julias Träume. Vielleicht sollte sie mit dem Verlust ihrer geliebten Katze auf den großen Schmerz vorbereitet werden? Kann man sich überhaupt auf den Tod vorbereiten? Was ist der Tod überhaupt? Ein vorübergehender, stummer Zustand oder ein großer schwarzer See, in dem man einfach verschwindet und nie wieder auftaucht?
    Mocca war eine ganz besondere Katze! Julia konnte sogar mit ihr reden, sie verstand alles, und wenn sie sie rief, kam sie sofort angerannt. Warum hatte man sie ihr genommen? Sollte sie bestraft werden? Aber wer sollte sie bestrafen wollen und wofür? Und wer hatte ihr Jonas genommen und warum?
    Vielleicht waren Jonas und sie zu rund und zu mächtig? Vor zwei Monaten hätte sie alles geschafft mit Jonas’ Liebe. Dann hatte man sie mit einem Schwert entzweit. Mittendurch, mit einem einzigen Hieb.
    Nein, das darf sie sich nicht einreden. Es gibt keine höhere Macht, die bestraft, es gibt keine Götter, keinen Gott!
    Oder doch?
    Mama hat aufgehört zu weinen. Gut, dann wird sie bald wieder froh. Julia braucht eine frohe Mutter, die sich um ihre eigenen Sachen kümmert und sie in Ruhe lässt, und keine, die sich bei ihr ausheult. Julia hat selbst keine Kraft zum Trösten. Sie will auch nicht getröstet werden, sie will Jonas wiederhaben.
    Julia steht auf. »Lass uns ein anderes Mal ans Meer fahren.« Sie gibt Mama einen Kuss. »Mach dir keine Sorgen.« Wie beschwingt sie sich anhört – ein fröhliches Kind. Sie will auch nicht shoppen. Mama akzeptiert das. Bevor sie geht, fragt sie, ob Julia runterkommen und wenigstens ein Stück Kirschkuchen mit ihr essen mag. Julia nickt. Mama geht schon mal vor und schlägt die Sahne.
    Julia ist auch nicht nach

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