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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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»So, meine Lieben. Bei die nächste Sitzung sehen wir mehr, bei allen von euch!« Sie wendet sich Julia noch einmal zu: »Wahrscheinlich wird sich Jonas dann schon zeigen, sodass du ihn erkennst.«
    Wie selbstverständlich sie seinen Namen ausspricht! Julias Hals ist trocken, die Nase läuft. Anne reicht ihr ein Kleenex .
    Genau um Mitternacht wird die Sitzung offiziell von Kitty beendet.
    »Meine Lieben«, sagt sie und klatscht diesmal dreimal in die Hände. »In der Küche gibt es eine kleine Stärkung, Scones mit Tee. Und nächste Woche Montag kann ich leider nicht, da bin ich auf einer Fortbildung. Aber wie sieht es denn am Dienstagnachmittag bei euch aus?«
    »Gut«, sagen Elfriede und Simone sofort.
    »Und du, Julia? Kommst du nächsten Dienstag?« Anne bietet Julia einen von den Scones an. Julia hat plötzlich einen riesigen Hunger. Das Gebäck schmeckt sehr gut. Beim Kauen kracht es im Mund und in den Ohren. »Ja«, sagt sie, sie komme auch, und lässt sich von Anne Tee einschenken.
    Um halb eins verlassen sie die Wohnung. Beim Rausgehen sollen sie Kittys Honorar in die erste Schublade der bauchigen Kommode tun. Das Medium dürfe nicht direkt vor oder nach einer Sitzung mit Geld in Berührung kommen. Julia muss diesmal noch nichts in das blaue Samttäschchen stecken, das in der Schublade liegt.
    »Nächstes Mal musst du siebzig Euro mitbringen«, sagt Anne. Julia sieht, dass Simone zwei 50-Euro-Scheine hineintut und Elfriede hat auch zwei 50-Euro-Scheine in der Hand. Wahrscheinlich hat Julia eine Schülerermäßigung, wie im Schwimmbad.
    Nachher gehen Julia und Anne zusammen zur U-Bahn. »Und wie fandest du es?«, fragt Anne.
    Julia zuckt mit der Schulter. »Ganz gut.« Sie fühlt sich erschöpft, als käme sie gerade vom Sport.
    »Nach spätestens drei Sitzungen hat man meistens Erfolg und einige können dann auch selbst mit dem Verstorbenen kommunizieren«, erklärt ihr Anne in der U-Bahn. »Kitty hat ja gesagt, dass du hellfühlig bist.« Sie sitzen zu zweit auf einer Viererbank. Julia sieht Anne an. Soll das etwa heißen, dass sie sich Jonas herrufen könnte, ohne die Hilfe eines Mediums, wie einen Flaschengeist?
    »Natürlich weiß man nie, ob man bei einer Sitzung jemanden erreicht. Manchmal sind die Toten auch unterwegs oder nicht ansprechbar – oder wollen nur über das Medium kommunizieren«, beantwortet Anne ihre Frage, ohne dass Julia sie ausgesprochen hat.
    »Unterwegs?«
    »Ja, glaubst du, die bleiben schön brav auf dem Friedhof liegen?« Anne lacht. Es hört sich an wie das Lachen von Kitty.
    »Ich glaube, die sind von Anfang an gar nicht auf dem Friedhof«, sagt Julia und schaut auf. Die Frau ihr gegenüber fängt an zu grinsen.
    »Ihr redet von diesen Vampirfilmen, wa? Die ha’ ick mir mit meine Tochter ooch anjekiekt. Richtig jut sind die, richtig jut! All diese schicken jungen Männer, ob Vampire oder Werwölfe – is doch scheißejal! Und Jott, nee, wat die für Schlitten fahrn! Habt ihr dit von den Edward jesehn? Wat für ’ne jeile Kiste … Und selba erst mal. So wat von schnuckelich, mein lieba Scholli …«
    Die Frau plappert einfach weiter. Sie hat rote Augen und riecht nach Bier.
    Julia muss Berliner Straße raus. »Ich ruf dich an«, sagt Anne und umarmt Julia. Die Frau mit der Bierflasche steigt auch Berliner Straße aus. Zum Glück geht sie nicht zur Linie 7.
    Als Julia in ihrer U-Bahn sitzt, dreht sich alles in ihrem Kopf. – Tote sind also unterwegs. Das hat sie ja auch schon gedacht, als sie auf dem Friedhof war und es ihr vorkam, als wären die Schmetterlinge die Seelen, die nun durch die Gegend flattern. Anscheinend sind sie aber noch viel weiter weg unterwegs, so weit, dass sie manchmal nicht zu den Sitzungen kommen können, zu denen sie – über ein Medium – gerufen werden. So hörte sich das jedenfalls an. Aber wo sind sie denn, die Toten? Schweben sie wie Sternenstaub im All herum?
    Was für ein schöner Gedanke, an dem will Julia festhalten. – Sternenstaub. Und Jonas hat sich nur deshalb nicht gezeigt, weil er zu weit weg war, vielleicht war er auch überrascht, dass er von einer fremden Frau angerufen wurde. Und bis er kapiert hat, worum es geht, war die Zeit um oder seine Energie verbraucht, je nachdem, was so ein Verstorbener benötigt, um bei einer Séance zu erscheinen. Aber er hat ihr ausrichten lassen, dass es ihm gut gehe, hat Kitty gesagt, als richte sie mal eben Grüße aus. Vielleicht hat Kitty das auch nur gesagt, um sie zu trösten. Das

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