Je mehr ich dir gebe (German Edition)
Schwimmbad hat er gar nicht mich angemacht, sondern meine Freundin, Charly. Wir haben uns sogar am selben Abend noch getroffen und er hat wie wild mit ihr rumgeknutscht.«
»Und genau das will ich dir ja erzählen. Er hat dich knapp verpasst, sozusagen. Jonas ist ihm zuvorgekommen. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als mit deiner Freundin rumzumachen, in der Hoffnung, doch noch an dich ranzukommen. Kolja ist eigentlich ein schüchterner Typ, aber um dich zu kriegen, macht er alles.«
Julia weiß wirklich nicht, was sie dazu sagen soll. Sie hat auch keinen Bock, sich von Anne so was anzuhören, nur weil sie von Kolja abgewiesen wurde. Andererseits – hatte Charly nicht auch was Ähnliches gesagt: Um dich zu kriegen, tut er alles … sogar mit mir knutschen.
Anne rückt näher an sie heran, spricht leiser. »Verlier dich nicht, Julia.«
Die Kinder müssen sich aufstellen, immer zwei nebeneinander, sich an die Hand nehmen. Es sieht aus, als bewegten sie sich in Zeitlupe, auch ihre Münder. Sie lachen und rufen, Julia hört sie nicht. Plötzlich reißen sie sich los und stürmen mit Gebrüll in den Laden. Julia wird schwindelig von dem Lärm. Anne schreit ihr ins Ohr: »Der Kerl ist …« Julia zuckt zusammen, dreht den Kopf weg, Anne holt Luft und setzt neu an: »… besessen von dir. Seine Liebe ist dämonisch.«
Julia tippt sich an die Stirn. »Anne, jetzt hör doch mal auf mit dem Quatsch! Du siehst ja wirklich überall Gespenster. – Besessen – was soll das sein? Kolja liebt mich. Und er war der beste Freund von Jonas. Er war der Einzige, der nach dem Unfall hundertprozentig für mich da war und mich trösten konnte. – Er versteht mich.«
»Er war nicht der beste Freund von Jonas. Das habe ich dir doch schon gesagt. Und was er dir von Jonas erzählt, musst du auch nicht alles glauben.«
Langsam wird es Julia zu viel. Wer hier wohl besessen ist und von wem oder was …
»Echt, Julia, ich möchte nur, dass du auf dich aufpasst. Du bist in einer sehr heiklen Position. Du hast deine große Liebe verloren und Kolja tröstet dich, aber er würde alles tun, um dich zu besitzen. Er ist so drauf, glaub mir, Julia, er kann nicht anders.«
Julia schiebt ihr leeres Glas von sich. »Anne, ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber das hört sich alles so dramatisch an. Man kann keinen Menschen besitzen.«
»Doch. Kann man. Und es ist dramatisch! Kolja ist nämlich krankhaft eifersüchtig auf Jonas gewesen.«
Julia fasst Anne am Arm. »Bitte, es reicht. Hör auf! Ich ertrag es nicht, wenn du so über ihn sprichst. Und über Jonas.«
»Da siehst du mal, wie wund deine Seele noch ist. Und deshalb wollte ich dich warnen, weil du in den falschen Händen bist, Julia. Das ist gefährlich!«
Die Kinder klettern auf Stühle, rufen der Bedienung zu, was für Eissorten sie haben wollen – alle durcheinander. Zwei junge Erzieherinnen versuchen, Ordnung in das Chaos zu bekommen. Julia wird schwindelig von dem Lärm und Gewusel. Gut, dass sie sitzt.
»Du brauchst Kolja nicht, um Kontakt mit Jonas zu haben«, sagt Anne.
»Aber dich?« Julia wartet die Antwort nicht ab. Herzklopfen, ihr wird wieder so eng in der Brust, als stecke sie in einem Fahrstuhl fest.
»Sorry, aber ich muss raus hier«, sagt Julia und legt vier Euro auf den Tisch.
»Lass mal«, sagt Anne. »Das bezahle ich.«
Bis zum Kanal muss Julia ihr Rad schieben. Erst dann traut sie sich, zu fahren. Der Gegenwind kühlt ihr Gesicht. Auf dem Kanal schwimmen Schwäne. Sie fährt über die Admiralsbrücke. Die ist voller Leute, sie sitzen auf den Steinpflöcken und trinken Beck’s . Zwei Jungs machen Musik, einer hat eine Geige, der andere singt. Julia muss wieder absteigen und schieben, weil sie keinem über die Füße fahren will. Der Sänger lächelt sie an.
Zu Hause geht sie gleich in ihr Zimmer und wirft sich aufs Bett. Das Fenster ist offen, eine Taube gurrt. In der Ferne Sirenen.
Was weiß Anne schon! Wahrscheinlich ist sie nur eifersüchtig auf Kolja. Klar war Kolja eifersüchtig auf Jonas. Das hat er ja selber zugegeben, nobody is perfect, aber doch nicht so extrem, wie Anne es darstellt! Dass er ihr etwas mehr Raum geben muss, weiß sie selber, daran arbeitet er ja gerade. Sie unterstützt ihn dabei. Und es hat doch diesmal wunderbar geklappt, dass er sie heute allein hat rausgehen lassen und erst morgen kommt. Hat nicht mal gefragt, was sie heute noch vorhat. So musste sie ihn nicht mal beschwindeln, dass sie sich mit Anne trifft.
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