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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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sich lieber erst mal die Zähne putzen. Als sie sich aus den Decken wühlt und aufsteht, kommt sie sich nackt vor, dabei hat sie einen Slip und ein langes T-Shirt an. Sie tapst aus dem Zimmer ins Bad, geht auf Toilette und kommt Zähne putzend zurück. Kolja steht vor ihrem Schreibtisch. – Ernste Miene.
    »Seit wann hast du die an der Wand?« Er deutet auf die Fotos. Ihr entgeht auch nicht sein prüfender Blick auf ihren leeren Ringfinger.
    »Seit gestern«, sagt sie und geht wieder ins Bad, um den Schaum auszuspucken. Sie würde gern duschen, aber sie möchte Kolja nicht so lange allein in ihrem Zimmer lassen. Sie wirft sich nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht.
    »Deine Mutter hat mir gestern Abend erzählt, was mit dir passiert ist. Sie wollte nicht, dass ich ins Krankenhaus komme …« Er streichelt ihr über die Wange. »Ich hab’s dir ja gesagt, dass du dich überforderst!«
    »Ach, das war nur der Kreislauf«, sagt sie und winkt ab. »Mir geht es schon wieder gut.«
    Kolja sitzt auf ihrem Bett und schaut ihr beim Anziehen zu. Am liebsten möchte sie sich unsichtbar machen. Sie kämmt sich die Haare und hält ihm die Tür auf. Langsam erhebt er sich vom Bett und geht mit ihr in die Küche.
    »Guten Morgen!«, sagt Mama und schaut sie mit typischem Mutterblick an. »Na, du hast ja schon wieder Farbe im Gesicht.«
    »Ja. Alles okay!«
    Mama hat Kaffee gekocht, schäumt Milch auf. »Kolja hat Croissants mitgebracht. Die duften vielleicht mal!«
    »Ja, schön«, sagt Julia, aber ihr ist jetzt nicht nach duftenden Croissants. Sie möchte in Ruhe einen Kaffee trinken, ohne dabei angestarrt zu werden – das ist es nämlich, was Kolja macht: sie anstarren. Das ist ihr noch nie so aufgefallen wie jetzt. Gut, dass Mama da ist. Sie möchte nicht mit ihm allein sein.
    »Ich ess noch schnell ein Brötchen mit euch und dann muss ich los«, sagt Mama.
    »Wohin?«
    »Zu Irene Braunschweiger, du weißt doch, eine Kollegin von mir, wegen der AG.«
    »Welche AG?«
    »Wir wollen eine neue AG anbieten, in Soziologie.«
    »Was macht ihr denn gerade?«
    Mama stutzt, weil Julia nie so genau nachfragt. Sie bittet Kolja, sich schon mal an den Tisch zu setzen und sich Kaffee einzuschenken. »Erzähl ich dir später«, sagt Mama. »Ich muss jetzt wirklich los.«
    Julia möchte nicht, dass ihre Mutter geht, sie möchte mit ihr am Tisch sitzen oder shoppen gehen oder ans Meer fahren.
    Mama nimmt ein Croissant im Gehen und verabschiedet sich.
    »Wo ist eigentlich Papa?«, ruft Julia ihr noch hinterher.
    »Beim Sport.«
    »Wann bist du denn wieder hier?«
    »Heute Mittag, schätze ich.« Mama steckt noch mal den Kopf durch die Tür und schaut Julia stirnrunzelnd an. »Ich ruf dich an, okay?« Die Wohnungstür fällt ins Schloss. Dann ist es still.
    So still war es noch nie. So still darf es auch nicht sein, und schon zuckt es wieder in den Waden, und schon setzt der linke Fuß an …
    Julia weiß gar nicht, was los ist, warum ihr Herz plötzlich so rennt. Sie hat das Gefühl, auch rennen zu müssen, raus aus der Küche, auf die Straße und dann weiter … aber wohin?
    Kolja reicht ihr ein Croissant.
    »Danke«, sagt sie und legt es auf den Teller.
    »Dir geht es nicht gut«, sagt Kolja. »Ich sehe es doch. Du bist auch schon wieder so blass. Du musst dich hinlegen.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Komm, ich bring dich ins Bett.« Seine dunklen Augen funkeln.
    »Nein, nein«, sagt sie und trinkt ein paar Schlucke Kaffee.
    Er schaut ihr bei jedem Schluck förmlich in den Mund. »Ich glaube, es ist nicht gut, wenn du Fotos von Jonas aufhängst.«
    Julias Herzschlag steckt ihr jetzt im Hals. Sie bekommt kaum Luft. Hat Kolja das wirklich gerade gesagt?
    »Warum?«, fragt sie, so beiläufig wie möglich.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du ihn in deinen Gedanken zulässt, nicht in Form eines Abbildes.«
    Abbild – denkt Julia. Wie sich das anhört! Du sollst dir kein Abbild Gottes machen . – Das erste Gebot.
    »Es sind doch nur Fotos!«
    »Trotzdem.« Kolja nimmt ihre Hand, legt sie an seinen Mund, sagt, sie rieche so gut und ihre Haut sei so weich. Er streicht ihr mit den Lippen über die Innenseite des Handgelenks. Sie hat Angst, dass er gleich einen Finger von ihr in den Mund nimmt, die Augen schließt und daran lutscht. Sie zieht die Hand weg.
    Du sollst keine anderen Götter haben neben mir …
    »Ich glaube, ich muss doch ein bisschen schlafen«, sagt sie so ruhig wie möglich. »Ich kann jetzt noch nichts essen. Vielleicht habe ich

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