Je mehr ich dir gebe (German Edition)
Jetzt weiß sie auch, warum die beiden nicht gut aufeinander zu sprechen sind. Anne war in ihn verknallt und Kolja von ihr genervt. Aber deshalb muss sie ihn jetzt ja nicht so schlechtmachen! Das ist billig.
Bis zum Abend spricht Julia ihre Szene aus Kabale und Liebe vor dem Spiegel, übt auch noch mal die Szene aus Gier – es klappt gut, auch mit dem Singen. Sie muss diesmal nicht mal weinen; sie ist bereit für die Aufnahmeprüfung. Von ihr aus könnte es schon morgen losgehen! Sie ruft Charly an.
»Wollte dich auch gerade anrufen und fragen, ob du morgen mit auf eine Party kommst? Leon Haase hat seinen Führerschein bestanden und das wollten wir ein bisschen feiern.«
»Oh, der ist wieder im Gespräch?«
»Ja, klar.«
»Ich dachte, ihr hättet zwischendurch mal Sendepause gehabt.«
»Julia, du kriegst echt nichts mehr mit! Bei mir geht das eben etwas langsamer.«
»Bist du ihm schon nähergekommen?«
»Nein, noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht morgen Abend.«
»Wer ist denn sonst noch da?«
»Keine Ahnung, alle möglichen Leute eben. Holst du mich ab?«
»Charly, es geht morgen Abend nicht«, sagt Julia. Sie kann Kolja nicht schon wieder absagen und mit Kolja möchte sie nicht auf diese Party.
»Ach, komm!«
»Nee, ich kann wirklich nicht.« Julia will Charly auf keinen Fall sagen, dass sie wegen Kolja nicht kann.
»Was ist mit Sonntag. Hättest du da Zeit?«
»Mal sehen«, sagt Charly. Julia hört, wie enttäuscht sie ist und ärgert sich dann. Eigentlich würde sie lieber auf Leons Party gehen.
KAPITEL 34
Das Geschenk
In den nächsten Tagen fällt kein Wort mehr über die Jonas-Fotos an ihrer Wand. Hoffentlich nie wieder! Julia entgeht jedoch nicht, dass sie Kolja weiterhin zu schaffen machen. Zuerst dachte sie, er könne die Fotos von seinem besten Freund noch nicht ertragen, weil sie ihm zu nahe gehen, so ging es ihr ja auch lange genug. Jeder braucht eben seine Zeit.
Aber vielleicht ist Kolja wirklich eifersüchtiger auf Jonas, als sie denkt, und will sie ganz allein für sich? In letzter Zeit ist er so sexbezogen und wird immer wilder. Er will, dass sie die Spitzenunterwäsche trägt, den String mit den Strapsen dran, die er ihr geschenkt hat. Aber sie kann sich ihm nicht mehr zeigen, steht da, stumm und starr, ist letztes Mal ins Bad gerannt und hat alles wieder ausgezogen. Es erinnerte sie zu sehr an die »Marlene-Dietrich-Szene«, wo sie mit der silbernen Zigarettenspitze vor Jonas herstolziert war. Da wurde ihr so richtig klar, dass sie sich Kolja nie so zeigen kann, wie sie es bei Jonas konnte. Da ist sie sich jetzt sicher. Und in der letzten Zeit hat sie beim Sex auch nicht mehr an Jonas gedacht. Zuerst war es eine neue Empfindung, als Kolja sich mehr und mehr gehen ließ, ganz anders als vorher, als sie noch Ablauf und Rhythmus bestimmte. Jetzt kommt sie kaum noch zum Zuge, er lässt ihr keine Zeit, wie Jonas es tun würde. Nicht dass es so ein Gewurschtel wäre wie damals mit Oliver Fischer oder Markus Schneider. Kolja macht alles richtig, er hat schnell gelernt, wie sie es gern hat, berührt zu werden. Er befriedigt sie meistens einmal vorher, bevor sie zusammen anfangen, dann noch einmal kurz bevor er kommt, wirklich, da gibt es nichts zu meckern. Es ist auch aufregend, sie wird satt, aber nicht glücklich. Alles ist so programmiert. Sie will diese Art von Sex nicht mehr. Es lässt keinen Raum für Jonas.
Kolja kommt gegen sieben, frisch rasiert, schwarzes T-Shirt, dunkle Haare, fragt nicht, was sie gestern den ganzen Tag ohne ihn gemacht hat. Er küsst sie, strahlt; sie riecht Jonas’ Rasierschaum an ihm. Er holt einen riesigen Strauß roter Rosen hinter seinem Rücken hervor, entschuldigt sich für seinen Ausbruch gestern am Telefon. Dann küsst er sie.
Mama ist entzückt, dass ein junger Mann einer jungen Frau so schöne Rosen schenkt. – Und dann noch rote, mit langem Stiel. Und wie sie duften! »Die haben bestimmt ein Vermögen gekostet!«, sagt Mama und holt ihre große weiße Vase. Sie schneidet die Rosen noch mal an. Es sind bestimmt über dreißig Stück.
»Habt ihr euch verlobt?«, fragt sie und kichert albern.
»Verlobt sind wir schon«, sagt Kolja und schmunzelt.
»Ach, deswegen der Ring?«, sagt Mama.
»Quatsch«, sagt Julia. »Das ist ein Freundschaftsring. Habe ich dir doch schon gesagt.«
»Die Rosen sind ein Versöhnungsgeschenk«, sagt Kolja. »Ich hab mich blöd benommen.«
»Ist ja schon gut.« Julia küsst ihn. »Danke.« Es ist peinlich,
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