Je mehr Löcher, desto weniger Käse
wichtig ein genauer Blick auf Probleme und gute Ideen sind.
Ecken verschieben
Beginnen wir mit einer Spielerei mit einem Dreieck. Was kann man damit alles anstellen? Wir können es drehen, spiegeln, auf eine Spitze stellen. Man kann es aber auch in ein passendes Rechteck hineinsetzen – und genau das habe ich hier getan.
Was glauben Sie: Welchen Teil der Fläche des Rechtecks nimmt das Dreieck ein? Ein Drittel? Die Hälfte? Oder mehr als die Hälfte? Stellen Sie sich vor, die Seiten des Dreiecks sind aus Gummi, der um drei Nägel gelegt ist, die genau die [103]drei Eckpunkte bilden. Man könnte dann den oberen Nagel, also die obere Ecke des Dreiecks, auf der oberen Rechteckseite nach links schieben. Was ändert sich dadurch? Belegt das Dreieck dann mehr Platz?
Wenn Sie sich noch an die Flächenformel des Dreiecks erinnern, können Sie die Frage sicher leicht beantworten. Aber es soll hier nicht darum gehen, eine Formel anzuwenden, die Sie irgendwann einmal auswendig gelernt haben. Es geht vielmehr um richtige Mathematik, und die beginnt oft mit einer einfachen und zugleich genialen Idee.
Zeichnen wir doch einfach mal eine zusätzliche Linie in das Dreieck. Sie steht senkrecht auf der Grundlinie und verbindet diese mit der oberen Ecke des Dreiecks. Sehen Sie, was passiert?
Unser ursprüngliches Dreieck wird in zwei kleinere Dreiecke zerlegt. Aber auch das umschließende Rechteck ist nun aufgeteilt in zwei Rechtecke. Jedes dieser beiden Rechtecke wiederum wird von je einer Diagonale halbiert. Diese Diagonalen sind die beiden oberen Seiten unseres Dreiecks. Und nun wissen Sie auch, wie viel Platz das Dreieck im Rechteck belegt: genau die Hälfte. Denn die beiden Diagonalen halbieren die beiden Rechtecke.
Was wir hier gemacht haben, ist tatsächlich Mathematik. Wir haben einfache Fragen gestellt und diese elegant beantwortet – dank einer guten Idee.
Wie kommt man auf eine solche Idee? Zufall? Intuition? Ausprobieren? Erfahrung? Glück? Dieselbe Frage kann manauch einem Maler stellen: Warum dieser Pinselstrich auf dem Gemälde? Was hat ihn dazu gebracht? Die Antwort des Mathematikers Paul Lockhart ist klar: Eine solche Linie im Dreieck und der Pinselstrich auf der Leinwand – beides ist Kunst. Es geht darum, schöne Dinge zu kreieren, beim Malen und in der Mathematik.
Damit das hier nicht untergeht: Bei der Spielerei mit dem Dreieck im Rechteck haben wir die Formel für den Flächeninhalt eines Dreieckes hergeleitet:
g ist dabei die Länge der Grundseite, h die Höhe.
Ganz koscher ist unsere Argumentation aber noch nicht. Denn es gibt ja auch Dreiecke, die anders aussehen als das, womit wir bislang gearbeitet haben. Die obere Ecke kann ja auch außerhalb des Rechtecks liegen, wie hier skizziert.
Funktioniert der Trick mit der Linie dann trotzdem noch? Im Prinzip ja. Wir müssen dann allerdings das Rechteck so weit nach rechts verlängern, dass das Dreieck genau hineinpasst.
Danach ist es fast genauso leicht wie beim ersten Dreieck. Wir müssen von der Fläche des gesamten Rechtecks, (g + m) × h, die Flächen der beiden grau ausgefüllten Dreiecke abziehen. Das linke graue Dreieck ist genau halb so groß wie das Rechteck, also (g + m) × h/2. Das rechte graue Dreieck ist halb so groß wie das Rechteck mit den Seiten m und h. Insgesamt ergibt sich daher:
Die Flächenformel stimmt also auch für unser zweites Dreieck.
Das nächste Beispiel wird Sie noch mehr verblüffen. Wieder geht es um ein einfaches, gut überschaubares Problem. Wir haben zwei Punkte und eine Gerade. Die Punkte liegen auf derselben Seite der Geraden, in der Skizze ist das die rechte Seite. Der Abstand der Punkte von der Geraden soll verschieden sein.
Die Aufgabe besteht darin, auf möglichst kurzem Weg von dem einen Punkt zum anderen zu gelangen und dabei auch die Gerade zu berühren. Offensichtlich sind dabei verschiedene Wege möglich. Welcher aber ist der kürzeste?
Ich empfehle Ihnen, erst noch einmal nicht umzublättern. Denken Sie eine Weile über das Problem nach, spielen Sie ein bisschen damit herum.
Auch hier löst eine simple Idee all die Schwierigkeiten, die uns die Aufgabe macht. Vielleicht haben Sie versucht, mit dem Satz des Pythagoras die Länge des Weges auszurechnen? Das war auch meine erste Idee, führt aber zu komplizierten Gleichungen.
Es geht viel einfacher, ganz ohne Rechnen. Spiegeln Sie doch einfach mal den unteren der beiden Punkte an der Geraden und schauen Sie sich an,
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